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Kardinal vor La Rochelle

Kardinal vor La Rochelle

Titel: Kardinal vor La Rochelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Krieg gewinnen
     würden. Der Herr werde den stolzen Deich der Papisten von Grund auf zerstören, so wie er einst den Turm zu Babel zerstörte,
     die Königlichen müßten ablassen von ihrem frevlerischen Tun, und der Zorn des Herrn werde sie in alle Winde zerstreuen.«
    »Pottieux«, sagte der Kardinal mit undurchdringlichem Gesicht, »erspare mir deine pathetischen Schilderungen. Du lehrst mich
     nichts Neues. Sowie der Nebel sich hob, hat Seine Majestät die Bresche im Deich bei Coureille besichtigt, dieser Anblick hat
     seinen Entschluß aber in keiner Weise ins Wanken gebracht. Er hat angeordnet, daß die Zahl der Arbeiter und Karren verdoppelt
     wird. Die Bresche wird binnen zehn Tagen geschlossen sein, und |152| die Arbeit auf seiten von Chef de Baie geht weiter wie bisher. Willst du einen Passierschein, damit du aus der Nähe sehen
     kannst, was sich jetzt an der Bresche tut?«
    »Oh, nein, Monseigneur«, sagte Pottieux erschrocken. »Wenn die Rochelaiser von diesem Passierschein erfahren würden, geriete
     ich bei ihnen in starken Verdacht. Ich werde Eure Worte weitergeben, so als entstammten sie Eurer Entourage. Indessen, Monseigneur,
     möchte ich mir zu bemerken erlauben, daß ich die Belagerten auch nicht in Verzweiflung stürzen darf. Ihre Begier, ermutigt
     zu werden, ist derart groß, daß sie mir nicht mehr zuhören würden, wenn sie daraus nicht immer auch ein Fünkchen Hoffnung
     schöpfen könnten. Ihr mögt mir verzeihen, Monseigneur, aber diesen Hoffnungsschimmer muß ich ihnen geben, sonst entziehen
     sie mir jegliches Vertrauen.«
    Es mutete seltsam an, daß Pottieux denjenigen um einen Funken Hoffnung anging, der das größte Interesse hatte, jede Hoffnung
     in der Stadt zu vernichten. Doch war der Kardinal sehr erfahren in der Anleitung seiner Spitzel, die er mit der größten Sorgfalt
     auswählte und denen er mit aller Aufmerksamkeit lauschte, während er das Wahre vom Falschen schied und das Falsche vom Wahrscheinlichen.
     Und er entlohnte besagte Spitzel, ohne zu knausern, sofern er die Auskünfte, die sie ihm brachten, für glaubwürdig hielt.
    »Gut«, sagte Richelieu nach kurzer Überlegung, »du kannst verbreiten, daß Seine Majestät den Wind, die Kälte und den ewigen
     Regen in diesem Landstrich sehr verabscheut, daß er ihm nur zu gerne den Rücken kehren würde, wenn dies nicht seiner Pflichttreue
     widerspräche.«
    Wenn das ein Hoffnungsschimmer war, so war er weder neu – das ganze Lager wußte, wie sehr der König unter dem Wetter litt
     –, noch leuchtete er besonders hell, denn wer hätte bezweifelt, daß der König ein viel zu starkes Pflichtgefühl hatte, um
     sich der Belagerung zu entziehen.
    Leser, die Zukunft ist selbst einem Kardinal ein verschlossenes Buch. Wie hätte Richelieu wissen können, als er diese Worte
     sprach, daß der schwache Hoffnungsschimmer, den der Spitzel unter den Belagerten verbreiten sollte, einen Monat später bestürzende
     Wirklichkeit werden würde?
    ***
    |153| Entgegen dem, was man sich vorstellen mag, war es trotz der hohen Mauern um La Rochelle nicht so schwierig, von einer Seite
     auf die andere zu gelangen. Die Zuträger, zahlreich hier wie dort, hatten ihre eigenen Übergänge und ihre günstigen Zeiten,
     weil sie wußten, wem sie die Pranke schmieren mußten, um durch ein Tor zu schlüpfen. Ganz ohne Listen und Kniffe jedoch und
     völlig reibungslos gingen Briefe und Botschaften hin und her. Der Dialog zwischen Rebellen und Königlichen kam während der
     gesamten Belagerungszeit nie ganz zum Erliegen. So hatten es beide Seiten von Anfang an gewollt, und sei es nur, damit der
     König die Soldaten auslösen konnte, welche die Rochelaiser bei ihren Ausfällen gefangennahmen.
    Um die unnützen Mäuler loszuwerden, hatten die Rochelaiser als geübte Kaufleute ziemlich hohe Auslösungsbeträge festgesetzt,
     die für einen Gendarm bis zu hundert Livres gingen, bis zu dreihundert Livres für einen königlichen Kurier. Selbst für einen
     einfachen Soldaten konnte der Preis zweihundert Livres erreichen, wenn es ein tapferer Mann war, was ihre Wächter durch Stockschläge
     in Erfahrung brachten oder aber durch Befragen der anderen Gefangenen.
    Nach einer Gefangennahme schickte der König einen Edelmann nebst zwei Gehilfen, um die Rückkäufe auszuhandeln, und es gab
     mit den Hugenotten manchmal ein langwieriges und hartes Feilschen um den Wert der Ware.
    Indessen waren die Rochelaiser so klug, nur kleine Fische freizulassen. Der

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