Kardinal vor La Rochelle
sich gemessen aufeinander zu (jede Spur von Beeilung hätte Unterlegenheit gegenüber
dem anderen angezeigt), grüßten sich respektvoll und scheinbar freundschaftlich, dabei verargte der Nuntius Richelieu insgeheim
seine gallikanische und anti-spanische Gesinnung, und Richelieu mißtraute wie Ludwig dem Papst, seit dieser die spanischen
Habsburger in der Veltlin-Affäre unterstützt hatte.
Zorzi wurde von Fogacer begleitet, der mich, während die Kardinäle sich begrüßten, mit einem freundlichen Blick umfing, aber
ganz unauffällig, dann nahm er mit seinem Gebieter die Sitze gegenüber den unseren ein. Derweise konnte jede Partei die andere
beobachten, ohne es sich anmerken zu lassen.
Monsignore Zorzi war ein liebenswürdiger und gelehrter Italiener, schwarzhaarig, braunhäutig, aber äußerst nervös, ungeduldig,
leidenschaftlich, und sein bewegliches, ausdrucksstarkes Antlitz verriet wie bei einem Komödianten jede Sekunde wechselnde
innere Regungen, was bei einem Diplomaten verwunderlich war, von dem man doch erwartete, daß er bei jeder Gelegenheit ein
undurchdringliches Gesicht wahre. Ohne ihm aber zu schaden, kam diese sprunghafte Mimik Monsignore Zorzi trefflich zustatten,
sie gab ihm einen Anschein von Naivität und Gutmütigkeit, der so sehr für ihn einnahm, daß man an sich halten mußte, um ihm
nicht Dinge anzuvertrauen, deren Mitteilung sich der Vorsicht halber verbot.
Offensichtlich wartete der Nuntius auf eine königliche Audienz und wirkte seit Richelieus Erscheinen beunruhigt, wahrscheinlich
fürchtete er, die Staatsgeschäfte, die Seine Eminenz zu besprechen hatte, würden seinen Anliegen vorgezogen werden. Doch da
kam Berlinghen straffen und gewichtigen Schrittes, wie er dem Träger einer königlichen Botschaft anstand, verneigte sich vor
Monsignore Zorzi und meldete, |179| Seine Majestät werde ihn umgehend empfangen. Zorzis Gesicht heiterte sich auf, betrübte sich aber in Blitzesschnelle erneut,
wohl in der Befürchtung, Ludwig könnte ihn im Handumdrehen abfertigen, weil es ihn viel mehr verlange, mit Richelieu zu sprechen.
Damit hatten die Veränderungen im Gesicht des Nuntius jedoch kein Ende. Der befriedigte Ausdruck, den es nun annahm, mochte
dem Gedanken entspringen, daß der Kardinal ja im Vorsaal warten mußte, bis seine, Zorzis, Audienz beendet war, und daß er
dann an dessen Miene würde ablesen können, ob er wirklich in Ungnade gefallen sei, wie man in letzter Zeit köstlicherweise
munkelte.
Wie Zorzi es geahnt hatte, währte seine Audienz nicht lange, und als er in den Saal zurückkehrte, rief Berlinghen uns zum
König. Er empfing uns in einem kleinen Kabinett, wo im Kamin ein helles Feuer loderte, das uns nach der langen Fahrt überaus
wohl bekam, denn in der Karosse war es trotz der Wärmebecken unter unseren Füßen bitterkalt gewesen.
Ludwig war aufgeräumt, fast heiter, begegnete uns mit der liebenswerten Höflichkeit, die ihm eigen war, wenn er nicht seine
Launen hatte, und fragte ohne Umschweife nach meinem Besuch bei Frau von Rohan. Ich sagte ihm meinen Vers so kurz ich konnte,
betonte indes noch einmal die Tatsache, daß die Rochelaiser das Los, das sie ihren Frauen und Kindern bereiteten, hätten bedenken
müssen, bevor sie den ersten Kanonenschuß auf uns abfeuerten. Ludwig zeigte sich sehr befriedigt, daß ich den Hugenotten die
Verantwortung zuwies, die sie ihm hatten zuschieben wollen, indem sie ihn
urbi et orbi
als erbarmungslosen Herrscher verschrien, was er nun wirklich nicht war. Den aufsässigen Städten, die sich ihm ergaben, hatte
er stets sehr milde Bedingungen auferlegt.
Er war überhaupt nicht verärgert, daß die Herzogin den königlichen Passierschein abgelehnt hatte, kraft dessen sie die Mauern
von La Rochelle hätte verlassen und ein Schloß ihrer Wahl hätte beziehen können. Er wunderte sich darüber so wenig, daß ich
überzeugt war, er hatte ihr dieses Angebot nur gemacht, um jene Großmut zu beweisen, die von den Hugenotten in Frage gestellt
worden war.
»Also«, sagte er, »meine teure Cousine bleibt heroisch auf ihrem Posten, sie will unbedingt als neue Jeanne d’Arc gelten!
Sie vergißt nur, daß Jeanne d’Arc mit dem Schwert in der Faust |180| für ihren König kämpfte und nicht gegen ihn! Ich bezweifle daher, daß Frau von Rohan in die Geschichte eingehen wird. Doch
genug davon. Mein Cousin«, wandte er sich an den Kardinal, »wollen wir jetzt von unseren Geschäften
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