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Kardinal vor La Rochelle

Kardinal vor La Rochelle

Titel: Kardinal vor La Rochelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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reden?«
    »Sire«, sagte ich, wobei ich im stillen betete, Seine Majestät möge meine Bitte abschlagen, »darf ich mich entfernen?«
    »Bleibt, Sioac«, sagte Ludwig, »Ihr seid mein Rat und könnt mir hier nützlich sein.«
    Nun erfolgte ein ziemlich langes Schweigen und ein Blickwechsel zwischen dem König und seinem Minister. Diese Blicke waren
     voll der widersprüchlichsten Nuancen, denn Ludwig war zugleich Richelieus Gebieter und Schüler, und dieser war gleichzeitig
     sein Lehrmeister und sein Untertan. Wie hätten dieser paradoxen Konstellation nicht Meinungsverschiedenheiten und öfters sogar
     Streitigkeiten entspringen sollen? Jedenfalls hätten diese Differenzen auf die Dauer zum Bruch geführt, hätte es nicht auf
     der einen wie der anderen Seite eine große Wertschätzung, vor allem aber eine tiefe Zuneigung gegeben, die für gewöhnlich
     still und zurückhaltend blieb, die sich jedoch voll enthüllte angelegentlich der bevorstehenden Trennung, von der ich jetzt
     erzählen will.
    Da Ludwig nicht geneigt schien, das Schweigen zu brechen, entschloß sich Richelieu, zögernd das Wort zu nehmen.
    »Hat Eure Majestät hinsichtlich Ihrer Rückkehr nach Paris schon entschieden?«
    »Ich schwanke noch«, sagte Ludwig, »die Entscheidung dünkt mich zu folgenschwer. Ich kann hier nicht alles im Stich lassen.«
    »Sire«, sagte Richelieu, »bitte, zaudert nicht länger! Es geht um Eure Gesundheit. Eure Gesundheit ist das kostbarste Gut
     des Reiches.«
    »Aber wäre es nicht der Ruin meiner großen Unternehmung, wenn ich wegginge?« sagte der König.
    »Ich bleibe, Sire, und werde mein Möglichstes tun, sie fortzuführen.«
    »Und wie wollt Ihr die Herren Marschälle zum Gehorsam zwingen? Angoulême ist hochmütig, Schomberg störrisch, und Bassompierre
     ist überhaupt gegen diese Belagerung.«
    »Wer weiß, Sire, wenn Ihr das Kommando über Heer und Lager in meine Hände gebt, wer weiß, sage ich, ob jeder der |181| drei erlauchten Heerführer dann nicht eher geneigt ist, sich mir unterzuordnen als den beiden anderen? Meine Robe kann sie
     nicht eifersüchtig machen.«
    »Und wo nehmt Ihr ohne mich die Autorität her zu alledem?«
    »Ich werde mein ganzes Herz hineingeben, Sire«, sagte Richelieu leise und ernst. »Sire, über die Schwere der Aufgabe mache
     ich mir nichts vor. Ich achte mich nicht höher als andere«, fuhr er fort, indem er mit bescheidener Miene die Augen niederschlug.
     »Ich war eine Null, die etwas bedeutete, solange eine Ziffer vor mir stand, aber ohne diese Ziffer bin ich nichts.«
    Ich war baff: Wort für Wort wiederholte Richelieu den Satz, den er in der Kutsche gesagt hatte! Und nun wurde mir klar, daß
     es eine Art Probe dessen gewesen war, was er dem König zu sagen gedachte, daß er dieses blitzsaubere Stückchen Demut auf mich
     losgelassen hatte, um zu sehen, wie ich reagieren würde und wie demnach höchstwahrscheinlich auch der König es aufnehmen würde.
     Er wurde nicht enttäuscht.
    »Mein Cousin«, sagte Ludwig, »ich weiß, daß diese Null hinter mir meine Stärke ausmacht.«
    »Nichts auf der Welt, Sire«, stammelte der Kardinal, »hätte mich höher beglücken können, als was Eure Majestät soeben zu sagen
     geruhte, auch wenn ich bedenke, daß sie in ihrer großen Güte meine Verdienste übertreibt.«
    »Mein Cousin«, sagte Ludwig, um den Demutsbekundungen ein Ende zu setzen, »glaubt Ihr, daß Ihr die Belagerung allein durchstehen
     könnt?«
    »Eure Majestät weiß«, sagte der Kardinal, nun schon mit mehr Selbstgewißheit, »daß ich mich nur solchen Unternehmungen widme,
     die Aussicht auf Erfolg haben. Und für diese, die für Euer Reich so schwerwiegend ist, werde ich keine Mühe scheuen, und koste
     es meinen letzten Schlaf. Sehr schwerfallen wird es mir jedoch, Eure Majestät dann nicht mehr alle Tage sprechen zu dürfen
     wie bisher«, setzte er mit einer Bewegung hinzu, die mir aufrichtiger erschien als alle vorherige Bescheidenheit.
    »Ihr werdet mir auch fehlen«, sagte Ludwig karg.
    »Sire, ich werde Euch täglich einen ausführlichen Bericht senden, damit Ihr verfolgen könnt, wie die Belagerung verläuft,
     und mir Eure Meinung dazu mitteilen mögt.«
    |182| Nun trat ein langes, schweres Schweigen ein, als fühlte der eine wie der andere nicht ohne Beklommenheit, daß die seit acht
     Tagen ins Auge gefaßte Trennung in Kürze Wirklichkeit sein würde.
    »Sire«, sagte Richelieu mit leiser und gepreßter Stimme, »ich frage nicht nach meinem

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