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Kardinal vor La Rochelle

Kardinal vor La Rochelle

Titel: Kardinal vor La Rochelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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     lassen?
    »Herr Graf«, sagte sie, »heute morgen erhielt ich ein Schreiben von Madame de Brézolles und soll Euch von ihr tausend Dank
     dafür ausrichten, daß Ihr die eingestürzte Parkmauer von Hauptmann Hörner und Euren Schweizern habt aufrichten lassen und
     daß Ihr obendrein aus Eurer eigenen Tasche alles bezahlt habt, Sand, Kalk, Steine und Fuhrlohn.«
    »Madame«, sagte ich, mich verneigend, »es war das Mindeste, daß ich dafür die Kosten übernahm, immerhin genieße ich seit Monaten
     die großzügige Gastfreundschaft Eurer Herrin. Außerdem kam es mir nicht ungelegen, meine Schweizer zu beschäftigen, die ja
     am Krieg nicht teilnehmen dürfen, so sehr es sie auch verlocken mag, weil sie keine königlichen Soldaten sind, sondern meine
     Leibgarde, die mir und Madame de Brézolles verpflichtet ist und folglich auch der Sicherheit ihres Gesindes und ihres Hauses.«
    Madame de Bazimont war von meinen Worten so entzückt, daß sie ihre Teetasse abstellen mußte.
    »Herr Graf«, sagte sie ganz gerührt, »das muß ich gleich Madame de Brézolles berichten, was Ihr da gesagt habt, und sicherlich
     wird sie Euch, wie auch ich es bin, überaus dankbar sein, daß Ihr so großmütig auf ihr Haus und ihr Gesinde achthabt.«
    Madame de Brézolles hatte mir seit ihrer Abreise nach Nantes nicht geschrieben, und ich hatte ihr gegenüber dasselbe vorsichtige
     Schweigen gewahrt. Ebenso sprach ich zu Madame de Bazimont sehr selten von ihr, um nicht durch Blick und Stimme, wenn auch
     nicht durch Worte, mehr Interesse und Leidenschaft zu verraten, als mir gut dünkte. Diesmal jedoch ergab sich eine so natürliche
     Gelegenheit, daß ich die mir gesetzte Regel durchbrach.
    »Darf ich fragen, Madame, wie der Prozeß steht, den die Schwiegereltern von Madame de Brézolles gegen sie angestrengt |187| haben, um ihr das Haus in Nantes zu nehmen? Hat sie in ihrem Brief darüber gesprochen? Und denkt Ihr, daß Ihr mir ihre Äußerungen
     wiederholen dürft?«
    »Aber gewiß, Herr Graf. Madame de Brézolles schreibt mir in ihrem Brief, daß sie großes Vertrauen in Euer Urteil setzt und
     Euch nur zu gerne jederzeit befragen würde, wenn Ihr in Nantes wärt.«
    »Und was ist mit ihrem Prozeß?«
    »Nun, im Moment, schreibt sie, steht es für beide Parteien gleich: Sie hat den Richtern die Hand geschmiert, ihre Schwiegereltern
     auch. Sie hat ihre Beziehungen geltend gemacht. Die Schwiegereltern ebenso. Der Ausgang, sagt sie, wäre völlig ungewiß, wenn
     sie nicht einen Trumpf in der Hand hätte, den sie zum gegebenen Zeitpunkt ausspielen werde und mit dem sie ihren Prozeß haushoch
     zu gewinnen denke.«
    »Worin dieser Trumpf besteht, hat sie Euch nicht mitgeteilt?«
    »Leider nein, und einen Absatz in ihrem Brief verstehe ich überhaupt nicht. Darin sagt sie, daß Euer Vater und Ihr erst einen
     Tag, nachdem sie nach Nantes reiste, in Brézolles eingetroffen wäret, so daß sie Euch nie begegnet sei.«
    Von dieser Verdrehung der Wahrheit war ich allerdings nicht ganz so überrascht wie die gute Frau. Ich begriff sofort, welche
     Vorsicht Madame de Brézolles hierzu bewegt haben mußte.
    »Madame«, sagte ich, indem ich ihr ernst in die Augen blickte, »wenn Eure Herrin dies behauptet, so wird sie dafür gute Gründe
     haben, und Ihr würdet ihr einen schlechten Dienst erweisen, wenn Ihr in diesem Punkt auf anderem beharren würdet.«
    »Fern sei mir dieser Gedanke, Herr Graf!« sagte Madame de Bazimont errötend. »Ich liebe meine Herrin und würde eher ins Wasser
     gehen, als ihr zu schaden.«
    Madame de Bazimont schien hierbei so erregt und den Tränen nahe, daß ich mir die Zeit nahm, sie durch tausenderlei Freundlichkeiten
     zu besänftigen, ehe ich sie verließ. Und Nicolas, der diesen seltsamen Wechselreden beigewohnt hatte, ohne etwas zu verstehen,
     hatte den Takt, mich wortlos bis an mein Zimmer zu begleiten.
    Ich öffnete die Tür erst, nachdem er gegangen war, wohl wissend, wen ich vor meinem Feuer antreffen würde.
    |188| Schöne Leserin, ich will Ihnen nicht verhehlen, wie überaus wohltuend ich es empfand, daß Perrette diesmal mucksmäuschenstill
     blieb, während sie mich entkleidete. Ich hatte den Kopf viel zu voll, und mein Herz war zu aufgewühlt, als daß ich auch nur
     das kleinste Wort hätte hervorbringen können. Ich begann nämlich zu erraten, oder wenigstens zu ahnen, warum Madame de Brézolles
     solchen Wert darauf legte, das Datum meiner Ankunft in ihrem Hause zu ändern, und somit

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