Kardinalspoker
diesem brisanten Kampf bis zum letzten
Schweißtropfen. Die Polizei würde alle Hände voll zu tun haben, um eine Rache der
FC-Fans zu verhindern, hieß es unverblümt, als freue man sich, mit dem Grauen zu
spielen. ›Ob Appelle an die Vernunft Erfolg haben?‹, fragte der Blitz scheinheilig,
um selbst eine ausweichende Antwort zu geben, die Raum für Interpretationen ließ.
›Es ist nicht leicht, daran zu glauben‹.
Den Wagen hatte er auf einem der Parkplätze abgestellt, gerade noch
rechtzeitig, um nach den langen Staus an der Autobahnabfahrt pünktlich zum Anpfiff
auf dem Tivoli zu sein. Er fühlte die spöttischen Blicke der vielen Fans, als er
mit Fuzzy zum Stadion ging. Er hatte sich das Alemannen-Trikot übergezogen, das
ihm persönlich weitaus mehr zusagte als das des FC. Mit Fuzzy in den Kölner Farben
an seiner Seite wirkte er wie ein Symbol der Verbindung zwischen den beiden rivalisierenden
Fußballklubs. Im Fanshop am Stadion hatte es nur noch ein einziges Alemannen-Trikot
in Größe XXL gegeben. Es trug ausgerechnet die Nummer und den Namen des neuen Aachener
Hoffnungsträgers, ein Floh von vielleicht 60 Kilogramm und damit nur halb so schwer
wie er. Und ausgerechnet er, dieser austrainierte, muskelbepackte Riese mit weitaus
mehr als zwei Zentnern Lebendgewicht schlüpfte in das Trikot mit dem Namenszug des
schmächtigen Teenagers, der Lewis Holtby bei den Fans vergessen lassen konnte. Dass
sich so mancher Tribünengast ein Schmunzeln nicht verkneifen konnte, lag auf der
Hand. Er sah darüber hinweg. Er freute sich, dass der Alte zwei Sitzplatzkarten
auf der Sparkassen-Tribüne besorgt hatte; wie auch immer. Es würde auf jeden Fall
sichergestellt sein, dass niemand nachverfolgen konnte, wer diese Karten erstanden
hatte.
Das Fußballspiel hielt, was es versprochen
hatte. Es war rassig, mit vielen Strafraumszenen, etlichen Torchancen und strittigen
Entscheidungen, Kampf und Tempo und zahlreichen Hakeleien auf dem Platz, die sich
auf die Zuschauer übertrugen. Der Tivoli brodelte, erinnerte endlich einmal an den
alten Tivoli mit den letzten legendären Pokalschlachten, als der damalige Zweitligist
hintereinander den deutschen Rekordmeister Bayern München und den niederrheinischen
Erzrivalen Borussia Mönchengladbach aus dem Pokalrennen geworfen hatte. Der begeisternde
Siegeszug der Alemannia hatte erst im Pokalfinale im Berliner Olympiastadion mit
der Niederlage gegen Werder Bremen geendet, dem Verein aber erstmals die Teilnahme
an einem europäischen Wettbewerb eingebracht. Da war es schon eine Ironie des Schicksals
gewesen, dass die Alemannia ihre Heimspiele im UEFA-Cup nicht auf dem veralteten
Tivoli, sondern in dem WM-tauglichen Stadion in Köln-Müngersdorf austragen musste.
Jetzt war das Pokalfinale noch in weiter Ferne, gab es ein Spiel in einer der ersten
Runden. Beide Mannschaften kämpften mit letztem Einsatz. Als kurz vor dem Abpfiff
ausgerechnet der Kölner Superstar ›Prinz Poldi‹, Lukas Podolski, den Führungstreffer
für die Geißböcke erzielte, schien das Spiel gelaufen.
In der hereinbrechenden Nacht bereitete
er im Geiste schon den Abschied vom Tivoli und das Ende von Fuzzy vor, als in der
Nachspielzeit nach einer nicht geahndeten Abseitsstellung Aachens Nachwuchsstar
noch der Ausgleich gelang. Das Stadion tobte, die Alemannen-Fans johlten, grölten,
fielen sich freudetrunken um die Hälse. Die Kölner Fans waren geschockt und gaben
ihrem Frust mit ›Betrüger‹-Rufen Ausdruck. Es kam zu Handgreiflichkeiten auf den
Rängen. Der Ordnungsdienst musste einschreiten. Als auch noch bengalische Feuer
entzündet wurden, Leuchtraketen aus dem Kölner Fanblock aufs Spielfeld flogen und
dichte Qualmwolken verursachten, schickte der Schiedsrichter die Spieler vor der
Verlängerung in die Kabinen. Eine Viertelstunde gewährte er den Verantwortlichen,
um die Sicherheit und Ruhe wiederherzustellen. Sollte es dann immer noch Krawalle
geben, werde er das Spiel nicht wieder anpfeifen, ließ er den Stadionsprecher mitteilen.
Der Beifall für diese Entscheidung mischte sich mit Buhrufen, Schmähungen und Gekreische.
Doch gelang es, die Fans oder diejenigen, die glaubten, sich alles erlauben zu können,
unter Kontrolle zu bringen.
Er beobachtete, wie einige Typen
abtransportiert wurden. Diese Entwicklung passte ihm durchaus in den Plan. Die Polizei
und die Sicherheitskräfte der Alemannia würden nach dem Ende des Spiels ihre Aufmerksamkeit
ganz auf die Krawallbrüder aus dem Kölner Block
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