Kardinalspoker
richten und zugleich verhindern
müssen, dass sie mit anderen, dem Aachener Fanblock zuzurechnenden Anhängern, aneinandergerieten.
In der Verlängerung belauerten sich beide Mannschaften und warteten auf einen Fehler
der anderen. Da die Teams sich in kontrollierter Defensive übten, blieb es beim
Gleichstand. Ein Elfmeterschießen musste die Entscheidung bringen.
Ob er noch ein Bier wolle, fragte
er Fuzzy und machte sich, ohne dessen Antwort abzuwarten, zu einem Getränkestand
auf, an dem er sich rücksichtslos vordrängte. Die Beschwerden und Beleidigungen
wegen seines rüpelhaften Benehmens prallten an ihm ab. Für sich beließ er es bei
einem Mineralwasser, für Fuzzy orderte er das Bier. Der bittere Biergeschmack würde
einen möglichen Geschmack des Mittelchens überdecken, das er, in der Menge unbeachtet,
auf dem Rückweg zu seinem Platz aus der Ampulle in den Pappbecher träufelte. Ob
es tatsächlich geschmacksneutral war, wie behauptet wurde, wollte er lieber nicht
austesten. In rund zehn Minuten würde das Zeug seine Wirkung entfalten, hatte ihm
der Alte gesagt, und somit ungefähr zu dem Zeitpunkt, an dem sie sich nach dem Spiel
in der Zuschauerschar zum Ausgang wälzen würden.
Beim Elfmeterschießen hatte Aachen
das bessere Ende für sich. Prinz Poldi setzte den letzten Elfmeter an den Innenpfosten,
von dort trudelte der Ball die Torlinie entlang zum anderen Pfosten, von dem er
ins Spielfeld zurücksprang.
Nur langsam kamen sie in der heftig
diskutierenden Menschenmenge vorwärts, die sich nach dem spektakulären Ende hinter
den Tribünen zum Ausgang schob. Er wurde langsam unruhig. Wenn es so weiterging,
würde er noch mit Fuzzy wieder im Wagen sitzen. Und dann? Dann musste wohl Plan
B ausgepackt werden.
»He, pass auf, du Arsch! Lass deine
Finger bei dir!«, keifte ein junger Mann in seiner Nähe.
Fuzzy hatte sich an ihn gelehnt.
Er verlor den Halt, als der Mann zur Seite wich. Unkontrolliert sackte er zu Boden.
Sofort bildete sich um ihn eine freie Fläche. Erschrocken und neugierig blieben
einige Menschen stehen.
Ebenso wie die große Masse ging
er weiter, als hätte er nichts mitbekommen. Sollten sich andere um Fuzzy kümmern
oder um dessen Leiche. Es würde dauern, bis Sanitäter vor Ort waren. Und es würde
noch länger dauern, bis die Polizei ermitteln würde, nachdem die Sanitäter Fuzzys
Tod festgestellt hatten. Er befand sich schon fast am Ausgang, als ihm endlich zwei
DRK-Helfer ohne Ausrüstung entgegenkamen. »Platz da! Notfall!«, schrien sie bei
ihren Bemühungen, sich gegen den Menschenstrom einen Weg zu bahnen. Ein Rettungswagen
stand mit drehendem Blaulicht weit entfernt vor einer Sanitätsstation.
Das war’s dann, sagte er sich zufrieden.
Geduldig wartete er, bis er den Parkplatz verlassen konnte. Vom Autofluss auf der
Krefelder Straße ließ er sich Richtung Innenstadt treiben. Als er eine Stunde später
den Leihwagen aufgeräumt und gesäubert abgeliefert und zu Fuß seine Wohnung erreicht
hatte, war sein Tagwerk verrichtet. Selbst das Trikot hatte er weisungsgemäß wieder
in einem Kleidercontainer entsorgt.
Nur eines fehlte noch zur Abrundung
des Tages. Er griff zum Handy, wählte die Nummer und sagte nüchtern: »Vater, der
Auftrag ist erledigt.«
Da war es schon weit nach Mitternacht.
9.
Falls er die deutsche Übersetzung wörtlich nahm, war die Cashew-Frucht
ein gutes Mittel gegen Kühlschränke. Aber er wusste, dass er die deutschen Übersetzungen
von Beschreibungen nicht immer wörtlich nehmen durfte. Diese Erfahrung hatte Böhnke
schon häufiger gemacht, wenn er seinem Hobby nachging, Gebrauchsanweisungen und
andere Beschreibungen in ein lesbares Deutsch zu übertragen, statt es bei den holprigen
Versuchen der angeblichen Übersetzer zu belassen. So manche Anleitung für einen
Toaster aus Asien hatte sich auf dem Weg durch die englische, gefolgt von einer
weiteren Übertragung ins Deutsche, fast schon ins Gegenteil gekehrt oder hatte jeglichen
Sinn verloren.
Von einem Urlaub auf Teneriffa hatte
ihm ein Nachbar einen vermeintlich deutschsprachigen Prospekt mitgebracht, der geradezu
nach einer Überarbeitung schrie. Das Informationsblatt enthielt einen Überblick
über Obstsorten aus Brasilien. Dabei war die Cashew-Frucht beileibe keine Nuss.
Im Original hieß die Frucht Cajou, warum der Übersetzer daraus ›Cashew-Frucht‹ gemacht
hatte, war wohl eines seiner Geheimnisse. ›Die Cashew-Frucht ist eine typisch brasilianische,
ihr Fleisch ist sehr
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