Kardinalspoker
verschaffen.
Geradezu lächerlich machte sich Kardinal in seiner Datei über die ›Fleischwurst
im Dior-Kleid‹: ›Gut im Bett – aber nur für eine Nacht‹. Sein Fazit: ›Hat kein Geld‹.
Über die Frau hatte er alles gesammelt, was er über sie gelesen oder gehört hatte.
Sie schien ihm wenig ergiebig.
Ebenso war er bei einem CDU-Ratsherrn
verfahren, gegen den er wegen des Aufrufs zum Werbeboykott geklagt hatte. ›Seniler
Spinner. Scheidet bald aus dem Rat aus. Wertlos.‹ Offenbar war der Mann für Kardinal
schon tot.
Wesentlich umfangreicher als die Datensammlung über die Mitglieder
des Kölner Stadtrates war die Datei, die Kardinal über eine Abgeordnete des Europaparlaments
angelegt hatte. Deren Name fiel Böhnke sofort auf, er hatte ihn am Morgen noch in
seiner Tageszeitung gelesen. Sie war quasi in Brüssel das umweltpolitische Sprachrohr
ihrer Fraktion. Aber auf diese Funktion bezog Kardinal sich nicht. Er hatte sie
von einer anderen Seite her aufs Korn genommen.
Nach der Lektüre des umfangreichen
Stoffes fasste Böhnke für sich zusammen: Regina Engelen hatte vor einigen Jahren
einen Förderverein für einen Kindergarten in Köln gegründet, der vornehmlich von
türkischen oder türkischstämmigen Kindern besucht wurde. Ziel des Fördervereins
war es auch, einen Kindergarten in Anatolien zu unterstützen, der zu diesem Zwecke
ebenfalls einen Förderverein ins Leben gerufen hatte. Dafür sammelte die Frau, damals
noch Mitglied im Kölner Stadtrat, eifrig Spenden und erhielt auch einen Zuschuss
aus der Stadtkasse, den sie als Vorsitzende des Fördervereins beantragt hatte. Doch
kam in dem Kindergarten in Anatolien nur ein Bruchteil des Geldes aus Köln an. Der
Großteil floss vom Konto des türkischen Fördervereins in die Kasse der PKK. Obwohl
die damalige Ratsfrau von diesem Spendenmissbrauch erfuhr, behielt sie das Wissen
für sich und sammelte weiterhin Geld für den Förderverein. Wegen ihres großen Engagements
für Kinder in der Türkei und der Förderung des europäischen Gedankens wurde sie
von ihrer Partei bei der Wahl für das Europaparlament als Kandidatin nominiert und
auch über die Bundesliste gewählt.
Dieser Zeitpunkt bot Kardinal die
passende Gelegenheit, sich einzuschalten. Er sah seine große Stunde gekommen, nachdem
er von der Sache erfahren hatte, und machte sein Wissen zu Geld. Wie er an die Informationen
gekommen war, war nicht erkennbar. Vielleicht hatte er sie in seiner Funktion als
vom Rat bestimmtes Mitglied des Kindergartenbeirates erhalten oder von einem Gesinnungsgenossen
aus dem Förderverein. Die Quelle herauszufinden, war eine Aufgabe für später, entschied
Böhnke für sich.
Kardinal jedenfalls erpresste die
Europaabgeordnete schlichtweg mit seinem Wissen und kassierte jeden Monat 1.000
Euro von ihr.
Mit flinken Fingern fand Lipperich
unter den Bankkonten die Zahlstelle. Der Betrag floss allmonatlich auf ein nicht
namentlich gekennzeichnetes Konto bei einer Filiale einer Schweizer Bank in Luxemburg.
Der letzte Eintrag von Kardinal
machte Böhnke nachdenklich: ›Vorsichtig. Sie wird zickig. Aufpassen!‹
»Wenn das
kein Motiv ist, den Scheißkerl aus dem Weg zu räumen, was sonst?«, fragte Lipperich
triumphierend.
»Begründet die Erpressung den Mord
an Kardinal? Oder an den anderen beiden Männern?«, hielt Böhnke dagegen. Er wunderte
sich über die Ruhe, mit der Lipperich zu Werke ging. Er hatte gedacht, der Mann
würde wütend werden oder anders reagieren. Aber nein, Lipperich verhielt sich sachlich
wie ein Chirurg, der sich langsam durch das Bauchfett schnitt, um zu einer Magenoperation
anzusetzen.
Wenige Klicke weiter stellte Böhnke die gleiche Frage: »Wenn das kein
Motiv ist?« Er hätte diese Frage gleich drei Mal stellen können. Kardinal hatte
Fotografien in seine Dateien aufgenommen, die mit Namen gekennzeichnete Ratsmitglieder
in eindeutigen Situationen zeigten. Zwei nackte Ratsherren hatten es sich zwischen
ebenfalls nackten Frauen bequem gemacht und schienen verzückt entrückt. Ein dritter
Ratsherr war sogar mit einem Videofilm verewigt, auf dem sein Treiben mit zwei noch
sehr knabenhaft wirkenden Jünglingen gezeigt wurde.
Alle drei Männer zahlten schon seit
geraumer Zeit 100 beziehungsweise 200 Euro monatlich auf ein Konto von Kardinal,
das er unter einem falschen Namen in Frankfurt angelegt hatte.
Nur ein vierter Mann kam anscheinend
ungeschoren davon: Müller ließ es sich mit einer Asiatin gut gehen. Aber vom
Weitere Kostenlose Bücher