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Kardinalspoker

Kardinalspoker

Titel: Kardinalspoker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Lehmkuhl
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dabei, aber ich habe genug davon gehört. Mein
Bruder war immer schnell mit den Fäusten zur Sache, das will ich nicht verschweigen,
aber wie ich mir sagen ließ, wurde er regelrecht von ein paar Typen eingekesselt
und zu Tode geprügelt. Das war reine Absicht, ihn zu töten. Und diese Typen gehörten
ganz klar zur Truppe von Kardinal. Aber bei der Gerichtsverhandlung war nur von
einzelnen Schlägern die Rede, kein Sterbenswort von einem organisierten Schlägertrupp.
Der Polizeibericht geht von einer Schlägerei mehrerer Fans bei einer zufälligen
Zusammenrottung aus.« Er schüttelte ungläubig den Kopf. »Ich kenne die Akten und
die Polizeiberichte, die wir bekommen haben, auswendig. Die werde ich nie vergessen.
Und jetzt?« Er rührte lustlos in seinem Suppenteller, als seien ihm Hunger und Appetit
vergangen. »Jetzt verstecke ich mich bei einem ehemaligen Kriminalkommissar, der
mich schon einmal eingebuchtet hat, und hoffe darauf, dass er mir hilft, die gerade
wiedergewonnene Freiheit zu behalten.«

26.
     
    Am frühen Abend, in den Lokalnachrichten des WDR-Fernsehens um 18 Uhr,
wurde zum ersten Mal über die geglückte Flucht von Josef Lipperich berichtet. Der
Pressesprecher der Staatsanwaltschaft bat die Bevölkerung um Mithilfe bei der Suche
nach dem gewaltbereiten Flüchtling. Zuvor hatte ein Reporter in seinem Filmbericht
dramatisch und besorgniserregend über die Flucht berichtet.
    »Die Hälfte der Fakten hat er weggelassen«,
sagte Lipperich erstaunlich ruhig. Von der Dämlichkeit seiner Begleiter auf dem
Transport nach Köln wurde ebenso wenig berichtet wie von der Tatsache, dass er in
einem Zivilwagen befördert worden war. Wie er es geschafft hatte zu entkommen, blieb
ebenso im Dunkeln wie der Umstand, dass er einen Stau auf der Autobahn für sein
Entkommen genutzt hatte. Über die Fluchtumstände werde aus Fahndungsgründen keine
Angabe gemacht, hieß es lapidar. Stattdessen ließ sich der Reporter darüber aus,
wie gefährlich der Entflohene sei. »Mit keiner Silbe wird die Unachtsamkeit der
Polizisten erklärt, die nicht verriegelte Autotür und die nicht richtig verschlossenen
Handschellen. Wenn die mich schnappen sollten und ich das publik mache, kriegen
die mächtig Ärger.«
    Böhnke biss sich auf die Lippe.
Bloß keine unbedachte Bemerkung!
    Würde Lipperich die Umstände seines
Verschwindens jemals publik machen können? Vielleicht hatte er das Pech, auf der
Flucht erschossen zu werden. Er schüttelte den ungeheuerlichen Gedanken von sich.
Aber nicht nur wegen der theoretischen Möglichkeit gewährte er Lipperich Unterschlupf,
wenn er einmal die Sache vor 15 Jahren außer Acht ließ. Er stellte sich den Medienrummel
vor, der morgen ausbrechen würde. Da hatte Lipperich einfach keine Chance, unentdeckt
zu bleiben. Wenn er ihm glauben durfte, war sein Gast auf dem Weg nach Huppenbroich
von niemandem erkannt worden.
     
    Bei seiner Schilderung am späten Nachmittag hatte
Lipperich sachlich über seine Flucht berichtet. Er hatte zunächst Glück gehabt.
Unterhalb der Autobahnböschung hatte er an einem asphaltierten Feldweg ein zwar
verrostetes, aber taugliches Fahrrad gefunden. Damit war er wenige Meter weiter
durch eine Unterführung wieder auf die andere Seite der Autobahn gelangt und nach
kurzer Strecke in einem Waldstück verschwunden. »Ehe die reagieren konnten, war
ich weg.« Mit dem Fahrrad war Lipperich bis nach Langerwehe gefahren und dort in
einen Bus gestiegen, der just die Haltestelle anfuhr, als er mit dem Rad ankam.
»So bin ich bis nach Schevenhütte gekommen. Da habe ich an einer Telefonzelle mit
meinem Vater telefoniert. Und ab dann bin ich zu Fuß unterwegs gewesen. Immer nur
durch den Wald mit der ungefähren Orientierung Richtung Huppenbroich. Und wie Sie
sehen, habe ich mein Ziel erreicht. Ich weiß nicht, wie viele Kilometer ich gelaufen
bin, aber ich bin tatsächlich in Huppenbroich angekommen.«
    Und so sollte er auch in Huppenbroich
bleiben, entschied Böhnke für sich.
     
    Die Stunden zuvor waren anstrengend und von einer intensiven Informationsfülle
gewesen, obwohl es zunächst danach nicht ausgesehen hatte. Lipperich hatte sich
nach dem Mittagessen zum Schlafen zurückgezogen. Böhnke bemühte sich derweil bei
seinem Spaziergang, einen großen Bogen um die Dorfgaststätte zu machen. Er legte
keinen gesteigerten Wert darauf, Josefs Vater in die Hände zu fallen.
    Nach seiner Rückkehr hatte er erneut
Grundlers Nummer gewählt. Aber es meldete sich niemand. So blieb

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