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Kardinalspoker

Kardinalspoker

Titel: Kardinalspoker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Lehmkuhl
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ihn töten.
    »Unsinn«,
sagte Lipperich freundlich lächelnd, als sei er ein Freund und kein Killer. »Haben
Sie denn so wenig auf das Datum geachtet? Ich dachte, Sie sind ein mit allen Wassern
gewaschener Kriminalkommissar?« Er deutete auf den Bildschirm. »Am 25. war ich doch
noch im Gefängnis. Ich bin einen Monat später, ausgerechnet an einem Freitag, den
13., entlassen worden. Dieser J. L. ist mit absoluter Sicherheit ein anderer. Ich
habe für diesen Zeitpunkt wohl das beste Alibi, das ich mir denken kann.«
    »Dieser Eintrag bedeutet aber nicht
zwangsläufig, dass besagter J. L. auch der Mörder von Kardinal ist«, gab Böhnke
zu bedenken. Er fühlte sich zwar für den Moment erleichtert, aber blieb dennoch
vorsichtig.
    »Richtig«, bestätigte Lipperich,
»aber alles ist möglich. Und damit gute Nacht für heute. Schlafen Sie schön. Ich
sorge dafür, dass Ihnen garantiert nichts passiert.«
     
    In der Tat schlief Böhnke gut und fest. Erst der Geruch von frisch
aufgebrühtem Kaffee, der am Morgen durch die kleine Wohnung wehte, weckte ihn.
    Lipperich begrüßte ihn mit größter
Höflichkeit. »Ich hoffe, ich habe den Frühstückstisch zu Ihrer Zufriedenheit gedeckt.«
    Böhnke wunderte sich einmal mehr
über den Mann, der so wenig mit dem Bild eines entlassenen Sträflings in Einklang
zu bringen war, das er bisher hatte. Lipperich wirkte zuvorkommend und hilfsbereit,
er war intelligent, hatte sogar, wenn sich Böhnke richtig an die Personalakte erinnerte,
das Abitur in der Tasche.
    »Was werden Sie machen?«, fragte
er, am Küchentisch sitzend und das Frühstück betrachtend.
    »Irgendetwas«, antwortete Lipperich.
»Hört sich blöd an. Zugegebenermaßen. Aber ich weiß es nicht. Ich kann ja vom Geld
meines Vaters leben. Der hat ja genug davon.« Lipperich lächelte verlegen, während
er eine Brotscheibe mit Butter beschmierte. »Ich weiß, das ist nicht prickelnd.
Aber ich bin skeptisch, ob ein Knacki eine vernünftige Anstellung findet. Meine
Ausbildung zum Bankkaufmann nützt mir da nicht viel.« Und als Einkaufswagenschieber
auf dem Parkplatz eines Supermarktes würde er sich auch nicht verdingen.
    Er zuckte ebenso zusammen wie Böhnke,
als die Türglocke schepperte. Angst machte sich bei Lipperich breit.
    »Die Bullen«, flüsterte er und sah
sich nach einem möglichen Versteck oder nach einer Fluchtmöglichkeit um.
    »Glaub ich nicht«, sagte Böhnke
beruhigend, obwohl er selbst verunsichert war. Die Kollegen vor seiner Haustür,
das war nicht gerade eine der Vorstellungen, die er sich gerne machte. Er ließ sich
Zeit auf seinem Weg zum Eingang. »Bleiben Sie ruhig!«, raunte er Lipperich zu, als
er sich langsam von seinem Stuhl erhob.
    Der kleine Mann vor ihm im Türbogen
ließ ihn erleichtert aufatmen. »Hat sich mein Sohn inzwischen bei Ihnen gemeldet?
Langsam werde ich unruhig. Oder wissen Sie, ob er geschnappt wurde?«
    Als ob ein pensionierter Kriminalkommissar
das alles wissen müsste! Stumm betrachtete Böhnke den alten Mann in der zerschlissenen
Kleidung.
    »Ich bin davon überzeugt, dass meine
Kollegen Ihren Sohn noch nicht eingefangen haben«, sagte er endlich förmlich und
gestelzt. »Ich glaube nicht, dass sie eine Erfolgsmeldung verschwiegen hätten. Da
wäre garantiert schon eine Nachricht im Radio vermeldet worden.«
    Seine Absicht ging auf. Der alte
Lipperich blinzelte ihn an.
    »Wenn Sie etwas von meinem Sohn
hören, lassen Sie es mich wissen. Bitte.«
    Böhnke nickte. »Ich werde Sie garantiert
informieren, wenn es Neuigkeiten gibt. Aber bei mir hat sich über Nacht nichts geändert.«
    Er drängte den Alten geradezu zum
Rückzug und kehrte zu dem erleichterten Lipperich Junior zurück.
    »Ich habe nicht gelogen«, betonte
Böhnke. »Ihr Vater hat meine Worte nur so ausgelegt, wie er sie verstehen wollte.«
    »Aber warum haben Sie ihm nicht
gesagt, dass ich hier bin?«
    »Weil es besser für Sie ist. Je
weniger Menschen wissen, dass Sie sich in meiner Wohnung aufhalten, umso besser.
Wer weiß schon, wie Ihr Vater reagiert? Vielleicht kollabiert er wieder. Und dann?«
Böhnke verschwieg, dass es auch besser für ihn war, wenn niemand sonst von Lipperichs
Anwesenheit im Hühnerstall wusste.
    Als er sich zu seinem morgendlichen
Spaziergang aufmachte, mahnte er Lipperich eindringlich, sich nicht zu zeigen. »Treten
Sie nicht zu nahe ans Fenster und machen Sie keinen unnötigen Lärm. Von mir aus
spielen Sie am Laptop. Aber bleiben Sie bitte in Ihrem und in meinem Interesse

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