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Kardinalspoker

Kardinalspoker

Titel: Kardinalspoker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Lehmkuhl
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ungesehen.«
     
    Als sei es abgesprochen, stieß Böhnke auf der Kapellenstraße auf einen
Streifenwagen der Polizeistation Simmerath. Mit langsamer Geschwindigkeit fuhren
die beiden Uniformierten auf ihn zu und hielten neben ihm.
    »Na, Kollege«, grüßte einer der
beiden freundlich. »Irgendwelche besonderen Vorkommnisse?«
    Böhnke schaute sich demonstrativ
um. »Nichts Besonderes. Alle Bäume stehen noch.«
    Sie lachten gemeinsam. »Sie haben
bestimmt schon gehört, dass Josef Lipperich geflüchtet ist?«, fragte ihn der Beifahrer.
    »Glauben Sie etwa, ein ausgebüxter
Häftling treibt sich ausgerechnet hier in Huppenbroich herum?«, reagierte Böhnke
mit einer Gegenfrage.
    »Wahrscheinlich nicht«, erhielt
er zur Antwort. »Der wird dieses Kaff nicht einmal kennen. Das ist ja wirklich das
Ende der Welt.«
    Die Uniformierten grüßten und fuhren
langsam weiter. Und Böhnke freute sich, endlich unbehelligt an diesem schönen Ende
der Welt seine Runde drehen zu können.
    Jetzt musste er nur noch darauf
achten, nicht dem alten Lipperich über den Weg zu laufen.
     
    »Was soll das denn?« Grundler erstarrte in seiner Bewegung. Irritiert
schaute er Böhnke an. »Bin ich im falschen Film?«
    Der Kommissar behielt die Ruhe und
beschwichtigte den Anwalt ebenso wie Lipperich, der erschrocken aus dem Sessel aufgesprungen
war. Grundler hatte vehement Einlass begehrt und war an Böhnke vorbei in den Hühnerstall
gestürmt.
    »Ich muss dir was Wichtiges sagen«,
hatte er dabei gemeint. Doch jetzt stand er vor einer Situation, mit der er nicht
gerechnet hatte.
    »Was soll das?«, wiederholte er.
Sein flüchtiger Mandant, ein vermeintlicher Mörder, hielt sich wie selbstverständlich
in der Wohnung seines besten Freundes auf. »Kann mir jemand das erklären?«
    Doch zunächst wandte sich Böhnke
dem erschrockenen Lipperich zu. »Machen Sie sich keine Sorgen. Herr Grundler steht
ganz auf Ihrer Seite. Immerhin ist er Ihr Anwalt und mein Freund.«
    Er drehte sich zu Grundler. »Lipperich
ist unschuldig, Tobias.«
    »Das glaubst du?«, fragte der Anwalt
mit verkniffenem Blick.
    »Nein«, antwortete Böhnke gelassen,
»das weiß ich. Lipperich kann Kardinal gar nicht getötet haben. Davon bin ich überzeugt.«
    »Warum nicht und wer war es dann?«
    »Wen interessiert’s? Für dich als
Verteidiger ist doch nur von Belang, dass dein Mandant nicht der Täter ist.«
    »Aber er ist abgehauen«, warf Grundler
ein. Er hatte schnell seine Beherrschung wiedergefunden. »Das lassen die Bullen
nicht gerne auf sich sitzen. Besonders in Aachen. Da ist ja einiges schiefgelaufen
rund um den Knast. Das mögen die überhaupt nicht, wenn sie zum Gespött werden. Stell
dir mal die Presse vor: Die lassen den Tatverdächtigen laufen, läuten eine Großfahndung
mit allem Brimborium ein und müssen dann kleinlaut erklären, dass der Böse gar nicht
der Böse ist. Peinlich.«
    »So ist es«, pflichtete ihm Böhnke
bei. »Deshalb werden wir ja auch erstens Lipperich weiter hier bei mir verstecken
und zweitens versuchen, die Umstände der Morde zu klären. Ich nehme an, deswegen
bist du auch zu mir gekommen. Oder?«
    Böhnke war froh, dass sich die Situation
entkrampfte. Lipperich hatte sich schließlich entspannt in den Sessel fallen lassen.
Grundler gab sich wieder locker und dreist.
    »Was hast du uns denn Wichtiges
zu sagen?«, fragte Böhnke. Er machte damit deutlich, dass er Lipperich in die Unterredung
einbeziehen wollte. Grundler sollte entscheiden, ob er zustimmen oder lieber ein
Gespräch unter vier Augen führen wollte. Aber auch er schien keine Bedenken gegen
einen Mithörer zu haben.
     
    »Da pack ich mich an den Kopf«, schimpfte der Anwalt unvermittelt.
»Kaum bin ich mal für ein Jahr von der Bildfläche verschwunden, da meinen die Jungs,
sie bräuchten mich nicht mehr zu informieren.«
    Wen Grundler mit den ›Jungs‹ meinte,
war Böhnke sofort klar. Es waren einige Informanten aus dem Polizeipräsidium und
der Staatsanwaltschaft, mit denen er im gegenseitigen Interesse vertrauensvoll zusammengearbeitet
hatte. Jedenfalls in dem Sinne vertrauensvoll, wie Grundler es verstand. Er konnte
in Strafprozessen ziemlich spitzfindig und aggressiv werden und manchen Ordnungshüter,
der als Zeuge aussagte, mächtig in die Mangel nehmen. Da war es von Vorteil, wenn
man sich mit ihm gutstellte. Nicht für die Öffentlichkeit bestimmte Informationen
oder die frühzeitige Herausgabe von Informationen waren einer vertrauensvollen

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