Kardinalspoker
mannshohen Zäunen und Mauern, die die privaten Grundstücke
von den öffentlichen Wegen trennten. An den stabilen Einfahrtstoren standen in der
Regel auffällig unauffällige Männer. Langsam umherfahrende, massige Geländewagen
mit getönten Scheiben deuteten auf eine permanente Überwachung des Viertels hin.
»Hier möchte
ich auch nicht als Einbrecher tätig sein«, schmunzelte Grundler. »Die haben dich
am Kragen, bevor du überhaupt ein Haus betreten hast.«
Er war am Zielort angekommen, fuhr
nach rechts in eine Einfahrt und hielt vor einem massiven Holztor in einer weiß
getünchten Mauer.
Er brauchte nicht lange auf eine
Reaktion zu warten, nachdem er die Zahlen in sein Handy getippt hatte. »Wir sind’s,
Werner. Mach auf!«, sagte er vergnügt.
Das Tor öffnete sich automatisch.
Die zwei Flügel glitten zur Seite. Sie fuhren über einen gepflasterten, von Büschen
gesäumten Weg in einem Bogen durch eine Parklandschaft.
»Hier lässt sich’s auch leben«,
sagte Grundler, beeindruckt von der Weitläufigkeit. »Aber ich selbst möchte nicht
so hinter Mauern hausen. Der Preis wäre mir zu hoch. Da doch lieber klein und bescheiden
im schönen Aachen oder im noch schöneren Huppenbroich.«
Vor der breiten Eingangstür zu einem
weiß getünchten, großen Bungalow stehend, winkte Müller ihnen zu. Durch die helle
Eingangshalle, die größer war als Böhnkes gesamter Hühnerstall, führte er seine
beiden Besucher in ein Wohnzimmer und bot ihnen Plätze in einer Sitzecke aus hellem
Leder an. Müller wirkte konzentriert. Wieder trug er einen dunklen Anzug und die
markante Fliege über einem weißen Hemd.
Böhnke staunte. Sein Blick durch
die wandhohe Fensterfront fiel in eine Parklandschaft mit mächtigen Laubbäumen,
einigen Buschgruppen und viel Rasenfläche, die anscheinend erst im Nirgendwo endete.
Er war schon an große Gartenanlagen in Huppenbroich gewöhnt, dort, wo das Grünland
vergleichsweise billig und im großen Umfang vorhanden war. Aber eine derartige Grundstücksgröße
wie im Hahnwald hätte er sich nicht vorstellen können.
Grundler brachte ihn schnell auf
den Anlass ihres Besuches zurück. »Wenn du nicht aufpasst, Werner, blickst du bald
durch ein kleines, vergittertes Zellenfenster in einen dunklen, trostlosen Gefängnishof«,
sagte Grundler frech und zugleich sachlich, »denn du stehst mit einem Bein im Knast.«
»Wieso?«, entgegnete Müller ungläubig.
»Ich habe dich eben am Telefon nicht verstanden und jetzt verstehe ich dich auch
nicht.« Auch im Sessel wirkte er groß und mächtig. Nur sein nervöses Augenzucken
verriet seine innere Anspannung.
Ernst betrachtete ihn Grundler.
Böhnke hörte still zu, als sein Freund seine Sicht der Dinge zum Besten gab.
»Wie kann es sein, dass ein Auto
wie das deine mit deinem Kennzeichen Mörder und Mordopfer transportiert? Wie kann
es sein, dass du dich von dem Mordopfer mit Kokain beliefern lässt? Wieso kommt
es dazu, dass du in flagranti mit einer Nutte abgelichtet wirst, die mit dem toten
Kardinal liiert war?«
Böhnke freute sich über die offene
Art von Grundler, so hatte er seinen Freund in Erinnerung. Nicht um den heißen Brei
redend, auf den Punkt kommend, wenn es entscheidend und angebracht war.
»Du kannst dich schon einmal darauf
einstellen, dass dir der Staatsanwalt solche oder ähnliche Fragen stellen wird«,
fuhr der Anwalt fort. »Und garantiert weiß auch spätestens dann die Presse Bescheid.
Also, lass die Hosen runter!«
Der Blick des Oberbürgermeisters
wechselte unruhig zwischen Grundler und Böhnke. Er atmete tief durch und schüttelte
den Kopf.
»Einiges von dem, was du sagst,
stimmt, anderes nicht«, begann er langsam und hob beschwichtigend die Hände, als
der Anwalt ihn aufbrausend unterbrechen wollte.
»Tobias, keine Sorge, ich komme
sofort zur Sache. Also, richtig ist, dass mich Kardinal mit Koks versorgt hat, aber
ich habe schon Ärzte kontaktiert, um meine Sucht zu bekämpfen. Richtig ist auch,
dass ich mit der ›Weißen Rose‹«, er lächelte beinahe schon versonnen, »einige Bettabenteuer
erlebt habe. Ich wusste aber nicht, dass sie mit Kardinal unter einer Decke steckte.«
Böhnke vermied krampfhaft, wegen
dieses Satzes zu schmunzeln: Müller erlebte Bettabenteuer, derweil seine Gespielin
mit Kardinal unter einer Decke steckte. War das etwa ein flotter Dreier gewesen?
»Aber ich kann mir nicht erklären,
wie mein Auto in die Mordsache hineingeraten sein könnte«, sagte Müller. »Ich habe
damit
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