Kardinalspoker
niemanden.«
Grinsend wandte sich Böhnke Grundler
zu. »Ich glaube, du warst zu schnell mit deiner Behauptung, meine honorierte Ermittlertätigkeit
sei vorbei.«
Erneut richtete er seine Aufmerksamkeit
auf Müller. »Was sagt Ihnen der Name Regina Engelen?«
Der Oberbürgermeister
stutzte. »Sie meinen die Europaabgeordnete, die vorher Ratsfrau in Köln war? Das
war vor meiner Zeit. Die habe ich nicht mehr mitbekommen.«
»Waren denn auch die Zuschüsse an
ihren Förderverein, der in der Türkei tätig war, vor deiner Zeit?«, sprang Grundler
dazwischen.
Müller nahm sich wieder eine längere
Denkpause. Er wirkte verunsichert. Zum ersten Mal schien es, als nähme das Gespräch
einen Verlauf, den er zuvor bei seiner Vorbereitung nicht beachtet hatte. »Soviel
ich weiß, endeten die Zuschüsse in dem Jahr, in dem die Frau den Stadtrat verließ.
Ich kann mich jedenfalls nicht erinnern, dass es jetzt noch Zuschüsse geben sollte.«
»Du weißt, was mit den Zuschüssen
geschah?«, unterbrach ihn Grundler.
»Ich habe davon gehört, dass da
etwas schiefgelaufen sein soll«, antwortete Müller bedächtig.
»Schief ist gut.« Grundler lachte
bitter. »Da hat jemand unter Vortäuschung falscher Tatsachen Privatleute und die
Stadt Köln geschröpft. Und das weißt nicht nur du, das wusste auch Kardinal«, behauptete
Grundler mit überzeugter Stimme.
Der Oberbürgermeister wand sich
unbehaglich in seinem Sessel. »Es gab und gibt eine Vereinbarung, die Sache auf
sich beruhen zu lassen, solange nichts an die Öffentlichkeit gerät. Zum einen, um
die deutsch-türkischen Beziehungen nicht zu belasten, zum anderen, um keine Unruhe
in Köln und besonders in dem Kindergarten zu stiften. Die Sache sollte gewissermaßen
in aller Stille begraben werden.«
»Unter den Teppich gekehrt werden,
ist wohl besser ausgedrückt. Verrate mir mal, stolpert ihr in Köln noch nicht über
die vielen Hügel, die ihr unter euren Teppichen habt?«, lästerte Grundler polemisch.
»Das wäre doch ein Politskandal allergrößter Ordnung geworden, wenn Kardinal damit
rausgerückt wäre. Die Abgeordnete hat doch wohl allen Grund, über Kardinals Ableben
hoch erfreut zu sein. Oder?« Sie hatte vermutlich mit dem Mord nichts zu tun, dachte
sich Grundler. Immerhin hatte sie brav und artig monatlich 1000 Euro an Kardinal
abgedrückt.
Aber diese Information wollte er
Müller nicht geben.
Der Oberbürgermeister starrte lange
aus dem Fenster in den Garten. »Ich weiß gar nichts mehr. Alles ist möglich. Nur
eines weiß ich definitiv: Ich habe mit dem Mord nichts zu tun, weder unmittelbar
noch mittelbar.«
»Aber dein Wagen«, hielt Grundler
sofort dagegen. »Du kennst deine Aufgaben. Ich höre in spätestens drei Stunden von
dir.«
Die nächsten Aufgaben verteilte Böhnke. Noch während der Rückfahrt
nach Huppenbroich suchte er den telefonischen Kontakt zu Küpper.
»Du musst noch einmal zu wenig legalen
Mitteln greifen, um der Legalität einen Dienst zu erweisen«, bat er seinen langjährigen
Weggefährten. »Du bist doch mittlerweile geschickt im Umgang mit allen Computern
und Programmen der Kripo, der Staatsanwaltschaft und der Ministerien.«
»Nun übertreib nicht so maßlos«,
brummte der Kriminalrat, »und komm endlich zur Sache. Ich muss gleich in ein langweiliges
Seminar.«
»Na gut, dann mache ich es kurz.
Ich suche einen Haftentlassenen mit dem Namen J. L., der seit dem 25. vor drei Monaten
wieder auf freiem Fuß ist. Vermutlich hielt er sich seitdem im Rheinland auf, aber
das muss nicht zutreffen.«
»Sonst noch
was? Das erledige ich doch mit links«, sagte Küpper gelangweilt.
»Wenn du so
gut bist, wirst du mir auch noch seinen Wohnort nennen können. Eines kann ich dir
allerdings sagen. Das J. L. steht nicht für Josef Lipperich. Das wäre nun doch zu
einfach für einen der führenden Köpfe der Ausbildungsakademie.«
Küpper lachte.
»Damit wird’s zum Wunder. Unmögliches hätte ich bekanntlich sofort erledigt, bei
Wundern dauert es etwas länger. Ich melde mich am Nachmittag bei dir.«
»Commissario,
ich glaube, wir biegen auf die Zielgerade ein«, sagte Grundler zufrieden, als er
den Hühnerstall ansteuerte. »Ich glaube, wenn wir alle Fakten zusammenfügen, bekommen
wir schon ein sehr klares Bild, wenn auch nicht ein vollkommenes.«
Böhnke blieb stumm. Ihn beschlich
ein merkwürdiges Gefühl, als er die Haustür öffnete. Sein Gefühl hatte ihn nicht
getrogen. Als sie eintraten, bemerkten sie, dass die Wohnung leer
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