Karibik all inclusive: Ein Mira-Valensky-Krimi
eiskaltes Sprite, Vesna nimmt Cola. Die Bar besteht aus einem Holzhaus, die Vorderfront ist offen. Etwas zurückversetzt eine Theke. Auf den Regalen an der Wand einige Flaschen, Chips, aber auch Mehl und Lockenwickler und Glühlampen. Calypsomusik aus einem altersschwachen Ghettoblaster.
She got a ticket for the
One-way train
…
Oh did you think
,
Where things would all end up
,
Started out as lovers seemed
…
„Vielleicht war er doch auf dich angesetzt, Mira Valensky.“
Ich zucke mit den Schultern. „Ich weiß nicht. Vielleicht rede ich mit ihm.“
„Was wird er sagen? Wird glauben, du bist eifersüchtig.“
Eine peinliche Rolle. Was habe ich mir nur gedacht? Ein Mann Mitte dreißig vom anderen Ende der Welt – er wird sich unsterblich in mich verlieben? Hätte ich das überhaupt gewollt? Keine Komplikationen, nicht noch mehr davon. Außerdem: Was hätte aus uns werden sollen? Er und Angela la Croix. Ein Traumpaar. Wie aus der Karibikwerbung. Schöne Menschen in einer schönen Bucht. Wahrscheinlich hat er sie deswegen in Schutz genommen. Wie gut, dass ich nicht zu viel von ihr gesprochen habe. Was hat Angela la Croix vor?
„Ich werde mit ihr reden“, murmle ich. „Ich möchte wissen, was sie will.“
„Ist das nicht klar? Hat sie dir schon gesagt. Netten Bericht und sonst ruhig sein. Und sie will gewinnen. Gegen Golden Sand und gegen Ökos. Fragt sich nur, mit welchen Mitteln“, ergänzt Vesna und schlürft ihr Cola leer.
[ 6. ]
Am nächsten Morgen breche ich früh auf, ich verzichte auf das köstliche Frühstück im Pleasures und rede mir ein, auch das hat nichts mit Thomas zu tun.
Vesna und ich wollen mit Michel zum Markt in Oldtown. Heute ist der Tag, an dem besonders viel los sein soll. Einmal die Woche kommt nicht nur das Banana-Boot aus Dominica, es kommen auch die Bäuerinnen der Insel in die Stadt.
Die Markthalle ist ein langes, flaches Gebäude, leuchtend gelb gestrichen. Seitenwände gibt es keine, so kann die Luft durchziehen, und vor den plötzlichen Regenschauern ist man trotzdem geschützt. Auf der anderen Seite der Straße ein schmaler Streifen Sandstrand. Einige Fischerboote haben angelegt, Pelikane hocken darauf und hoffen gefüttert zu werden, statt selbst jagen zu müssen. Schmale, schwarze Vögel mit einer Spannweite von gut eineinhalb Metern segeln über dem Wasser. Sie sehen aus wie überdimensionale Schwalben. Schon vor dem Eingang zur Markthalle sitzen Frauen in bunten Röcken unter ebensolchen Sonnenschirmen, vor sich, sorgsam auf Decken ausgelegt, Früchte und Gemüse: riesige gelbe Kürbisse, fleischige Tomaten, Scotch Bonnet Peppers in kleinen Häufchen, Okra, Papaya und immer wieder ganze Bündel von grünen und gelben Bananen. Die meisten der Frauen sind schon älter. Am Gehsteig vis-a-vis nehmen einige Rastas, die vielen Haare unter überdimensionalen gehäkelten Mützen in ihren Farben Grün, Gelb und Rot versteckt, Fische aus. Vor einem liegt ein beachtlicher Haifischschädel. Rund um die Fischer hat sich eine Menschenmengeangesammelt, alle wollen etwas vom frischen Fang. Ich dränge mich dazu, sehe Eimer mit großen bunten Fischen, einige große Langusten, Eimer mit kleineren Fischen. Verkauft wird nach Pfund, man bekommt, was einem der Fischer zuteilt, so scheint es. Vesna zieht mich weg. Michel erklärt gestenreich, er lasse sich seinen Fisch von einem Fischer liefern, das sei viel bequemer.
Die Markthalle wirkt nach dem grellen Sonnenlicht am Meer fast düster. Schon beim Eintritt schlägt mir eine betäubende Geruchsmischung entgegen: Duft von exotischen Früchten und Gestank von Verfaultem, Strenges, dann wieder vollreife Tomaten und Thymian und Zimt und pikant-süßlich riechendes Essen. Eine Frau hat den Deckel des Aluminiumtopfes vor sich gehoben. Der Topf balanciert auf einem kleinen Gaskocher, kein Wunder, dass es hier noch heißer ist als draußen. „Goat Water“, schreit sie, „Michel, come!“
Michel eilt auf die Dicke in der grün geblümten Kleiderschürze zu, küsst sie. „Mama Maria“, sagt er, sie strahlt über ihr breites schwarzes Gesicht und er bekommt eine Styroporschüssel mit einer Art wässrigem Eintopf. Mama Maria drückt ihm einen Plastiklöffel in die Hand. Michel macht uns ein Zeichen, wir sollen auch essen. Ich bin mir in diesem Fall nicht ganz sicher. Es riecht herrlich, aber … Michel lässt mich kosten. „Potage“, erklärt er, es sei die berühmte Ziegensuppe der Insel, das Beste, was man in der Früh essen
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