Karibik all inclusive: Ein Mira-Valensky-Krimi
für Götter: mit seinem weißen Bart, den etwas zu dünnen Beinen in den kurzen, hellen Hosen, links und rechts eine halbe Ziege unter dem Arm.
Eines weiß ich: Bevor es zurück geht nach Wien, muss ich hier noch einmal her. Ich werde mir eine Liste mit allem machen, was ich unbedingt mitnehmen will. Gewürze sowieso. Aber auch die meisten Früchte müssten sich, gut verpackt, transportieren lassen. Vesna verdreht bloß die Augen, als ich ihr das sage.
Natürlich, wenn ich mit ihr reden will: Keine Spur von Angela. Ich nehme an der Hotelbar einen Bananenshake, trinke auf der Terrasseeinen Espresso, schaue in den Speiseraum, in dem gerade das Lunch-Büfett aufgebaut wird, lasse mir an der Poolbar einen Caipirinha mixen. Der allein reisende farblose Typ nickt mir freundlich zu. Danke, mein Bedarf an Abenteuern ist gedeckt. Aber wahrscheinlich war es ohnehin bloß eine Höflichkeitsgeste. Man hat einander wahrgenommen und grüßt sich.
Üblicherweise ist Angela immer irgendwo im Hotel unterwegs, geschäftig und gut sichtbar für die Gäste. Scheint zu ihrem Job zu gehören. Trotzdem: Um die Rezeption mache ich einen Bogen.
Bevor mir von all den Drinks schlecht wird, versuche ich den direkten Weg. Angela la Croix muss ein Büro haben. Und eine Sekretärin. Die Büros der Hotelleitung liegen im ersten Stock, Konferenzräume und Büroräume für Hotelgäste rechts, Direktionsbüros links. Ich könnte meine E-Mails checken. Warum? Keine Ausflüchte.
Türschilder. „Peter Hoffmann. General Manager.“ Schwimmt gerne. Scheint, wenn er auftaut, doch ganz in Ordnung zu sein.
„Angela la Croix, Resident Manager.“ Ich klopfe. Keine Antwort. Ich klopfe wieder und öffne dann vorsichtig die Tür. Das Vorzimmer, zwei Schreibtische, zwei Computer, beide Sessel leer. Rechter Hand eine Türe, sie ist angelehnt. Ich klopfe auch an diese Türe, trete gleichzeitig ein. „Sorry“, sage ich.
Angela la Croix fährt erschrocken auf. Vor ihr steht ein Laptop und sie wirkt, als hätte ich sie beim Büroschlaf ertappt. Sie doch nicht, die tüchtige Angela. Oder strengt sie Thomas so an? Nächte am Strand … Es gibt mir einen Stich. Ich habe mir vorgenommen, alle persönlichen Gefühle beiseite zu lassen.
„Ich möchte mit Ihnen reden, haben Sie zehn Minuten Zeit?“, beginne ich.
Sie sieht mich mit hoch gezogenen Augenbrauen an und deutet auf den Besucherstuhl auf der anderen Seite ihres Schreibtisches. Zwischen uns eine große, glatt polierte, fast leere Schreibtischfläche aus rotbraunem Teakholz.
„Warum wollten Sie das Golden Sand schließen lassen?“
„Das steht doch ohnehin im Protokoll: Gefährliche Dämpfe, Brandgefahr.“ Sie spielt mit einem silbernen Kugelschreiber.
„Ich wüsste gerne den Grund dahinter. Sie bekommen Ihre sonnige Tourismusreportage, keine Sorge. Aber ich möchte es wissen.“
Sie sieht mich spöttisch an. „Was sollte ich für einen Grund ‚dahinter‘ haben?“
„Der Konzern wollte das Grundstück kaufen, Bata und Michel haben sich geweigert zu verkaufen.“
„Sie scheinen die beiden ja gut zu kennen.“
„Ich weiß nicht …“
Angela la Croix seufzt. „Schauen Sie: Dieses so genannte Hotel ist ohnehin am Boden, es stört unser Ensemble, wir können Platz brauchen, wir haben ein gutes Angebot gemacht. Wenn man nicht bereit ist, mit uns zu reden, gibt es andere Methoden.“
„Und dafür haben Sie dann Ihre Wachtruppe.“
„Wie kommen Sie darauf?“ Großer Augenaufschlag. „Sie wurde bloß zum Schutz eingestellt. Auch zum Schutz gegen diese radikalen Ökos, die Bata aufgehetzt hat.“
„Soviel ich weiß, sind die ganz von alleine gekommen. Einige von ihnen studieren Meeresbiologie, es gab Proteste von Leuten aus St. Jacobs wegen der brütenden Schildkröten, die Ökos haben bloß deren Seiten im Internet gefunden.“
„Es gibt bei uns welche, die sich jeder Entwicklung verschließen wollen. Aber viele sind es nicht. Den meisten ist das Hotel eher egal. Antriebslosigkeit, davon gibt es noch viel mehr hier. Viel zu viel.“
„Vielleicht können Sie froh darüber sein.“
Sie legt den Kugelschreiber weg und sieht mir ins Gesicht. „Was halten Sie von mir? Ich will, dass es mit der Insel endlich aufwärts geht.“
„Und mit dem Konzern. Außerdem kann man darunter Unterschiedliches verstehen.“
„Natürlich bin ich loyal, halten Sie das für eine schlechte Eigenschaft? Obwohl …“
Ich will schon etwas sagen, schweige dann aber. Vielleicht muss man sie nur einmal
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