Karibik all inclusive: Ein Mira-Valensky-Krimi
könne.
„Gibt Kraft!“, säuselt Mama Maria und lächelt. Sie hat nur mehr zwei, drei Zähne im Mund.
Vesna hat ihr schon gedeutet: Sie will einen Napf davon. „Fast wie in Bosnien am Land, früher, als ich noch Kind war. Da hat es viel Ziege gegeben. Aber weniger Gewürze. Leider.“
Ich bekomme auch einen Styroporteller zugeteilt, es schmeckt wirklich köstlich, wärmt den Magen, und wer wird sich Gedanken machen über Hygiene und so etwas. Kolonialistischer Quatsch. Das aufgewärmte Zeug in gewissen Selbstbedienungslokalen bei uns ist mit Sicherheit deutlich gefährlicher.
Als hätte Mama Maria meine Gedanken gelesen, will sie uns nach dem Goat Water auch noch mit Hot Dogs füttern. Wir sind mehr als satt und bedanken uns und bezahlen einen lächerlichen Preis.
Die Markthalle ist durchzogen von langen Steintischen, sieben Reihen zähle ich. Es sind lange nicht alle Plätze besetzt, aber zwanzig Frauen sind es schon, die auf den Tischen ihre Waren ausgebreitet haben, jede neben sich auch eine der alten Waagen mit metallenen Gewichten. Zwei Marktfrauen haben eine Sonderposition: Ihr Platz ist an großen, abgesonderten Tischen links und rechts vom Eingang. Und ihr Angebot ist überwältigend. Auf eine von ihnen, eine dünne ältere Frau mit Brille und einem Strohhut auf dem Kopf, steuert Michel nun zu. Auch sie wird geküsst, und bald wird uns klar, warum Michel sich so gefreut hat, dass wir mitfahren. Immer neue Berge von Obst und Gemüse sucht er aus, legt sie auf die Waage mit der kupfernen Schale. Jams und Süßkartoffeln, Kochbananen, Paprika und natürlich die unverzichtbaren Scotch Bonnet Peppers, eine Art Kreuzung zwischen Jungzwiebeln und Schnittlauch, die „Chives“ heißt, Passionsfrüchte, die heute ganz frisch gekommen sind, eine Papaya, die mindestens acht Kilo wiegen muss, frischer Thymian und und und.
Zum Schluss zählen wir elf Plastiksäcke.
„Keine Kokosnüsse?“, frage ich Michel.
Er schüttelt den Kopf, die seien nur für die wenigen Touristen, die sich hierher verirren, und ein paar sture alte Weiber da. Alle normalen Menschen kaufen Kokosmilch im Supermarkt, die sei auch nicht schlechter, und wer sich einmal die Arbeit angetan habe, Kokosnüsse aufzubrechen, das Mark herauszuschälen, es mit Wasser zu erhitzen, durch ein Tuch zu drücken … Michel begleitet das alles mit eindrucksvollen Gesten und die dürre Marktfrau nickt. Wir lassen die Plastiksäcke bei ihr, Michel muss uns noch den Fleischmarkt zeigen.
Eine Seite der Markthalle ist durch eine Mauer abgetrennt, in dem langen, schmalen Hallenteil steht eine Fleischbank neben der anderen. Nicht, dass es nach verdorbener Ware stinken würde, aber der Geruch von Blut und Knochensplittern und Fleisch von Rindern und Schafen und Ziegen ist so intensiv, dass ich automatisch durch den Mund atme.
„Anders als in Fleischzentrallager von Supermarktkette bei uns daheim“, flüstert mir Vesna zu. Ich nicke. Scheint unendlich lang her zu sein.
Halbe Tiere baumeln von Schlachthaken, aufgespritztes Wasser kühlt den Betonboden und die Bänke, aber das ist auch schon die einzige Kühlung. Obst und Gemüse werden ausschließlich von Frauen verkauft, hier gibt es außer einer, die allerdings gut und gerne neunzig Kilo wiegt, nur Männer. Das Fleisch wird ganz anders geschnitten als bei uns, sehe ich interessiert: Vom Rindsschlögel werden einfach drei, vier, fünf Zentimeter dicke Scheiben abgeschnitten wie von einem Brotlaib. Um den Oberschenkelknochen durchzuhacken, braucht der Fleischer mit seinem riesigen Beil nur einen gezielten Schlag.
Die vorderen und hinteren Viertel der Ziegen werden mit einer Art Machete samt den Knochen einfach in mehrere Teile geschlagen und in Zeitungspapier verpackt.
Michel kennt auch hier die meisten der Verkäufer. Er sieht sich ein paar der halben Ziegen an, die wie hingerichtet an den Haken baumeln, und deutet auf eine, dann auf noch eine. Offenbar weiß der Fleischer: Michel zerlegt sein Fleisch lieber selbst und auf europäische Art. Er legt auf der Theke Zeitungspapier aus und wickelt die beiden Hälften ein. Vorne steht der Kopf heraus, hinten das Schwänzchen. Die Ziegen wird er tragen, gibt Michel uns zu verstehen. Ist mir auch lieber so. Zum Glück steht Michels Wagen ganz nahe an der Markthalle.
Vesna und ich holen die Plastiksäcke, ich bitte sie, auf ihren rechten Arm zu achten. Wir müssen ohnehin zweimal gehen. Michel, der rundum wie ein kleiner König verabschiedet wird, ist ein Bild
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