Karibik all inclusive: Ein Mira-Valensky-Krimi
Kleinbus vom öffentlichen Busservice? Gar nicht. Die einen bleiben stehen, die anderen nicht. Oder vielleicht doch? Autostopp auf einer Karibikinsel. Meine Eltern haben mir eingebläut, nie mit Fremden mitzufahren. Auch egal, inzwischen bin ich über vierzig, es wird schon das richtige Auto halten. Ein Bus schießt um die Kurve, der Fahrer hat mich nicht gesehen, er fährt weiter. Aber plötzlich bremst er, legt den Retourgang ein, HOW’S LOVE SO NICE, steht in glänzenden Lettern auf der Heckscheibe, der Bus kommt nur wenige Meter vor mir zu stehen. Sprüche auf der Rückseite von Autos scheinen eine Spezialität der Insel zu sein, wir sind schon einem ROAD WORRIOR und einem BAD DOG begegnet.
Mister HOW’S LOVE SO NICE ist ein Schwarzer um die fünfzig mit deutlichem Übergewicht und einem gutmütigen Lächeln. Ich klettere über zwei elegant gekleidete ältere Ladys in Rosa, in der hinteren Reihe sitzt ein Mann mit zwei kleinen Kindern. Der Fahrer steigt aufs Gas und dreht sich gleichzeitig zu mir um. Ich drücke ihm sicherheitshalber fünf karibische Dollar in die Hand, bekomme drei zurück.
Calypsomusik.
Cause in the midst deepest night,
Under the pale moonlight
,
There you gave your love to me
,
So pure and true as I could see
,
Baby I’ll do it all again for love
…
Ein alter Mann mit Stock – er sieht aus, als wäre er Onkel Toms Onkel und hätte die Sklavenzeit noch selbst miterlebt – winkt am Straßenrand. Die beiden Ladys rutschen enger zu mir und helfen ihm beim Einsteigen.
Ich weiß, dass die Busse die Insel einfach entlang der Hauptstraße umrunden. Die Best Bay liegt ein ganz schönes Stück von der Route entfernt.
„Ich muss dort raus, wo man zur Best Bay einbiegt“, sage ich.
Der Fahrer nickt. Wenn ich insgeheim gehofft habe, er würde abbiegen und mich bis zum Strand bringen, so habe ich mich getäuscht. Auch hier haben Busse eben ihre Route, in Wien würde ich nie auf die Idee kommen, ein städtischer Busfahrer könnte mich bis zur Wohnungstür chauffieren.
Ich stehe an der Staubstraße, es ist heiß, ich habe einen Fußmarsch von mindestens einer halben, vielleicht auch einer Stunde vor mir. Ich wandere los. Es raschelt im dornigen Gebüsch, das die Insel überall dort dominiert, wo irgendwann einmal gerodet und danach nichts angepflanzt wurde. Ziegen. Zwei davon sind kaum größer als Gismo, Ziegenbabys, die hinter ihrer Mutter herhoppeln. Wie es meiner Katze wohl geht? Sie wird bei ihrer Pensionswirtin sicher ein Kilo zulegen. Okay, sie soll einen schönen Urlaub haben.
Eine Staubwolke, ich drehe den Kopf zur Seite, versuche, nicht zu atmen. Das Auto hält. Ein weißer Pick-up.
„Ich habe dich gesucht“, sagt Thomas.
„Es tut mir so Leid“, erwidere ich.
Sein Gesicht wirkt grau, so, als hätte er noch nie gelacht. „Du hast sie gefunden …“
Ich schüttle den Kopf. „Das waren zwei von den Ökos, die haben Vesna geholt und Vesna mich.“ Thomas weiß nicht, dass ich weiß, dass er und Angela …
„Wir fahren auf den Hügel“, schlägt er vor, „ich will mit dir in Ruhe reden.“
Ich habe versprochen, nicht mit Thomas allein zu sein. „Wie wäre es mit dem Strand?“
Er schüttelt den Kopf. „Ich mag jetzt keine Menschen sehen.“
Das klingt ehrlich, ist ja auch nur zu verständlich. Ich klettere in seinen Wagen, er wendet und wir fahren auf einen der unbewohnten Hügel, die steil hinter der Bucht aufsteigen. Dorniges Gestrüpp auch hier. Die Straße, oder besser das, was man gerade noch mit einem geländegängigen Pick-up bewältigen kann, endet am Hügelrücken. Wir steigen aus. Ein paar Coladosen liegen herum. Offenbar waren vor uns schon Menschen da, auch wenn die Welt von hier oben aus wirkt, als sei sie gerade erst erschaffen worden. Das Meer breitet sich dunkelblau und ruhig unter unseren Füßen aus, wir sehen auf sanfte Hänge, schroffe Felsen, einen Salzwassersee mit Palmen, über dem Pelikane kreisen. Kein Zeichen von Zivilisation oder was immer wir dafür halten mögen.
Thomas scheint davon nichts wahrzunehmen. Er hat sich an den Pick-up gelehnt und starrt ins Leere.
Ich sehe ihn nicht an und sage: „Ich weiß, dass ihr …. euch nahe gestanden seid.“
Wie erschrocken fährt er auf. „Dann stimmt es also …“
„Was?“
Er versinkt wieder in Schweigen. „Officer Bradley hat mir erzählt, dass du von mir und Angela gewusst hast.“
„Vesna und ich haben euch zufällig bei den schwarzen Felsen gesehen, ein paar Tage nachdem wir
Weitere Kostenlose Bücher