Karibik all inclusive: Ein Mira-Valensky-Krimi
gänzlich fremder Typ aus St. Jacobs? Ich unterschreibe und warte, dass jemand kommt und mich in die Zelle bringt. Irrwitz.
Stattdessen begleitet mich Bradley zur Tür. „Sie müssen sich zu unserer Verfügung halten“, sagt er. Dann bin ich draußen auf der Straße, im Sonnenlicht. Dröhnende Reggaemusik aus den überdimensionalen Lautsprechern der Police Cafeteria.
Working for the system
,
You can’t earn no living
,
And unemployment as skyscrapers keeps rising
,
What’s the use, you wait no more
,
Oh no, no Rastafari is the law, don’t you know
…
Menschen schieben sich auf dem Gehsteig aneinander vorbei, Frauen tragen ihre Lasten auf dem Kopf, ein kleines Mädchen mit vielen schwarzen Zöpfchen und rosa Schleifen wird von ihrer Mutter gerade noch zurückgehalten, als es auf die Straße springen will. Auf dem gegenüberliegenden Gehsteig ist ein Huhn mit sechs Küken unterwegs. Ein wohlhabender weißer Business-Mann kauft der alten Frau am Eck zwei pralle Avocados ab.
Jetzt habe ich einen Grund mehr, herauszufinden, was im Pleasures wirklich vorgeht.
Wir sitzen auf der Terrasse des Golden Sand. Bata zuckt mit den schmalen Schultern. Bestechung? Nein, ihnen hat man kein Geld angeboten, warum auch? Man wollte das Hotel kaufen. Natürlich, die Regierung sei bestochen worden, aber das passiere wohl immer bei großen Geschäften. Oder fast immer, oder?
Bata trinkt zur Abwechslung Rum mit etwas Cola, Vesna malt mit dem Finger unleserliche Zeichen auf den Tisch. Und ich weiß nicht mehr weiter. Da wird ein Luxushotel in einer ökologisch sensiblen Bucht direkt vor die Nase eines kleinen Apartmenthotels gebaut. Es sterben zwei Menschen, die zu diesem Luxushotel gehören. Es gibt Streit mit dem kleinen Hotel. Wer hat die beiden so unterschiedlichen Menschen umgebracht? Jemand, der dem kleinen Hotel nahe steht.
Oder: Jemand, der vom Bau finanziell profitiert hat. Vielleicht wollte Angela nicht mehr, vielleicht wollte sie reden. Warum so plötzlich? Weil sie sich in Thomas verliebt hatte? Und der Typ von der Wachmannschaft? Vielleicht war er nicht nur ein kleiner Dealer, sondern hat auch das Schmiergeld übergeben. Angelas Vater ist Minister. Aber er wird kaum seine Tochter ermorden. Wie ist das mit seinen Kollegen? Angela hat alle gekannt. Sehr nützlich für das Hotel. Und für sie. Welche Rolle hat sie gespielt, welche General Manager Hoffmann? Es sieht so aus, als ob er nicht von allem wüsste, was hier vorgeht. Zuallererst muss ich Thomas fragen, warum er Officer Bradley von unserer Liebesnacht erzählt hat. Er wird durcheinander gewesen sein, zerstört. Kurz sticht die Eifersucht. Ich rufe mich zur Ordnung. Was ich jetzt brauche, ist ein kühler Kopf und keine schwülen Phantasien über Liebesnächte am Meer.
„Ich muss mit Thomas reden.“
„Ich begleite dich, Mira Valensky“, bestimmt Vesna.
Ich schüttle den Kopf.
„Ist zu gefährlich, sieht immer mehr danach aus, dass Thomas mit drinnen steckt.“
„Ich fürchte mich nicht.“
Ich habe Vesna nicht alles von der Vernehmung erzählt, vor allem aber nicht von meiner Angst, in Untersuchungshaft zu landen. Dieses Gespräch mit Thomas muss ich alleine führen.
„Aber bleibe mit ihm an Ort, wo viele Menschen sind. Strand vor dem Hotel oder Bar oder so. Verspreche es. Ich werde herumhören, wer am Hotel verdient hat.“ Vesna reibt Daumen und Zeigefinger aneinander.
„In welcher Sprache?“, erwidere ich trocken.
„Musst mich nicht immer erinnern. Ich nehme Bata mit. Wir gehen in die Stadt, zwei harmlose Frauen, tratschen über Gespräch Nummer eins auf der Insel.“
Das ist vielleicht gar keine schlechte Idee.
„Also: Du redest nicht mit Thomas, wenn nicht viele Leute herum sind.“
„Ja, geht in Ordnung.“
Die beiden brechen sofort auf, sie fahren mich bis zur Einfahrt des Pleasures. Ich steige aus, wo mich vor so wenigen Tagen erst Thomas hat aussteigen lassen, und sehe zum Hotelgebäude hinüber. Ob er da ist? Wie es ihm geht?
Thomas hat sich freigenommen, erfahre ich wenig später an der Rezeption. Ich weiß nicht, wo er wohnt. Bei seiner Mutter? Keine Ahnung, ob ich das rosa Haus in der Gartensiedlung am Stadtrand wiederfinden würde. Die Straßen dort sehen einander ziemlich ähnlich.
Aber wo die Best Bay ist, weiß ich.
Diesmal nehme ich einen der öffentlichen Kleinbusse. Ich stelle mich, wie ich es inzwischen bei vielen Einheimischen gesehen habe, einfach an den Straßenrand. Wie unterscheidet man einen privaten
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