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Karin Schaeffer 03 - Die stumme Zeugin

Karin Schaeffer 03 - Die stumme Zeugin

Titel: Karin Schaeffer 03 - Die stumme Zeugin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Pepper
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wollte, dass Billy in seinem Zustand allein in einer Bar hockte.
    Beim Eintreten hatte ich den Eindruck, als ob wir in die Zeit zurückreisten, in der dieses Haus erbaut worden war: dunkle Holzvertäfelung, lange Holztheke, Barhocker mit dunklen Ledersitzen, üppige Buntglasfenster über einer Tür, die ins Hinterzimmer führte, und Gaslampen, die zwar auf Strom umgerüstet worden waren, aber nur spärliches Licht spendeten. Überraschend viele Gäste saßen an der Theke, tranken und redeten miteinander. Eigentlich hätte ich erwartet, dass die Leute längst schliefen, weil sie morgen früh zur Arbeit mussten. Doch dann kam mir ein anderer Gedanke: Seit dem wirtschaftlichen Niedergang und dem Beginn der großen Rezession hatten viele Menschen ihre Jobs verloren, weshalb Kneipen vermutlich zu den wenigen Läden gehörten, die noch gut liefen.
    Wir setzten uns an die Theke und bestellten bei einem Barkeeper mit einem schwarzen Kinnbart und Diamantohrsteckern zwei sogenannte Winterspecials – laut Kreidetafel über der Bar »heiß und geheimnisvoll«. Er stellte eine Schale mit Erdnüssen vor uns, und ich griff sofort zu, denn ich merkte auf einmal, wie hungrig ich war.
    »Servieren sie hier auch Essen?«, fragte ich Billy.
    Er schüttelte den Kopf. »Nur Nüsse.«
    Ich nahm mir noch eine Handvoll. Im Spiegel hinter der Theke entdeckte ich das Zifferblatt einer runden weißen Uhr, deren kleiner Zeiger auf der Zwei stand. Endlich wusste ich, wie spät es war.
    Unsere Drinks kamen. Glühwein mit einem Schuss Rum. Das süße, heiße Getränk stieg mir sofort in den Kopf, entspannte und wärmte mich, sodass ich innerhalb kürzester Zeit meinen Pulli auszog und die langen Ärmel meines Baumwollshirts hochschob. Billy entledigte sich seiner Jacke und öffnete die beiden oberen Hemdknöpfe.
    Beherzt bestellten wir die nächste Runde.
    »Jetzt mach schon«, forderte ich ihn auf. »Rede mit mir.«
    »Was soll ich sagen?« Er lehnte sich auf seinem Stuhl ganz nach hinten und verschränkte auf dem Bauch die Finger ineinander. Seine braunen Knöchel schienen von einem weißen Puder überzogen zu sein, und etwas an seiner schrundigen, trockenen Haut vermittelte mir das Gefühl, dass er unter Einsamkeit litt. Oder vielleicht stimmte es mich auch nur traurig, dass ihm nach all dem, was er heute Nacht erlebt hatte, nichts Tröstlicheres einfiel, als mit mir in eine Bar zu gehen. Er hatte, wie ich nur zu gut wusste, geliebt und diese Liebe verloren, er war jedoch niemals verheiratet gewesen. Auch schmerzte mich der Gedanke, dass sein Beruf, den er seit zwanzig Jahren ausübte und der die einzige feste Größe in seinem Leben war, nun äußerst schädlich für sein seelisches Gleichgewicht zu sein schien.
    »Wie lange hast du diese Flashbacks schon?«
    Sein dunkles Auge wanderte zu der braun gestrichenen, mit dekorativen Zinnquadraten geschmückten Decke, als müsse er ganz akribisch nachrechnen. Ich vermutete jedoch, dass ihm die Antwort auf der Zunge lag, er allerdings nicht darüber reden mochte. Das Erlebnis des ersten Flashbacks war gewiss genauso niederschmetternd, wie wenn der Arzt einem die Diagnose eröffnete, vor der man sich am meisten gefürchtet hatte: In der einen Minute fühlte man sich noch wohl, und in der nächsten stand man mit einem Fuß im Grab. Niemand würde den Tag vergessen, an dem so etwas sich ereignet hatte.
    »Vor etwa vier Monaten«, bekannte er schließlich. »Mac habe ich erst neulich davon erzählt.«
    »Ziemlich lange Zeit, um einsam zu leiden.«
    Er schluckte, musterte uns im Spiegel hinter der Bar und nickte bedächtig. Ich vermochte nicht zu erkennen, ob sein Nicken sich auf die lange Zeit, das Leiden, die Einsamkeit oder dies alles bezog.
    »Ich habe mich dagegen gesperrt und gehofft, dass sich das von allein wieder gibt.«
    »Wie oft ist es inzwischen vorgekommen?«
    »Heute zum dritten Mal.«
    »Und immer an einem Tatort?«
    Er richtete den Blick auf mich und nickte.
    »Hast du mal mit jemandem über posttraumatische Belastungsstörungen gesprochen?«
    »Nur während der Therapiesitzungen, nachdem ich angeschossen wurde, aber zu jener Zeit ging es mir noch gut. Und wäre ich dafür anfällig gewesen, hätten sich die Symptome von PTBS schon viel früher gezeigt.«
    »Pete Soronack.«
    Er nickte.
    »Des Lee.«
    Jetzt wandte er den Blick ab.
    Pete und Des hatten einander nicht gekannt, doch das ganze NYPD und ein Großteil der Bewohner dieser Stadt wussten von ihnen. Diese zwei Polizisten hatten bei

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