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Karl der Dicke beißt sich durch

Karl der Dicke beißt sich durch

Titel: Karl der Dicke beißt sich durch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Schrader
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hatte.
    „Donnerwetter“, röhrte er heiser, „ich glaube, mir ist da was in die falsche Kehle geraten!“ Und weil das Lachen noch einmal in ihm hochstieg und nicht zu unterdrücken war, täuschte er einen zweiten Hustenanfall vor. Dann hatte er sich so weit in der Gewalt, daß er die nochmalige Lektüre von Karls umwerfender Liebeslyrik mit einem unhörbaren inneren Gelächter durchstehen konnte. Als er dann, auf der Suche nach weiteren Proben Karlscher Verseschmiedekunst, im Heft zurückblätterte, entdeckte er auch die ersten ins unreine gehauchten und wieder verworfenen Versuche des verliebten Dichters. Grinsend las er „Die Nase ist so klein und immer, immer rein“. Weil darunter noch eine Reihe frei war, schrieb er nach kurzem Nachdenken etwas sehr Sinnvolles dazu.
    Mittlerweile drängte der Lehrer, die Korrekturen zu beenden. Da hakte Egon schnell drei Wörter an, die ihm bei flüchtigem Textvergleich als falsch auffielen, und fand gerade noch Zeit, einen zweiten Reim unter die frühen Versuche seines Freundes zu schreiben.
    Dann gab er das Heft zurück, und zwar so auf geschlagen, daß die Seite mit Karls Versen und seinen Ergänzungen oben lag.
    Karl wollte schon weiterblättern, als sein Auge zufällig auf das Wort ,Warze’ fiel. Warze? dachte er. Wann hab’ ich denn das geschrieben? Und er las den ganzen Vers:
„Ihr Haar, das kohleschwarze,
bedeckt die Nasenwarze.“
    Und weiter oben:
„Die Nase ist so klein
und immer, immer rein.
Ach, könnt’ sie meine sein!“
    Da begriff er, daß Egon seine Ergüsse gelesen und ergänzt hatte. Das ärgerte ihn sehr. Aber er ließ sich nichts anmerken und tat, als hätte er Egons niederträchtige Reimereien gar nicht gesehen. Jedoch nahm er sich vor, es dem Langen bei passender Gelegenheit heimzuzahlen.
     

 
    Endlich, endlich war die Woche herum! Karl hatte den Kindersitz, in dem er früher bei seinem Vater auf dem Fahrrad gesessen hatte, tatsächlich auf dem Dachboden entdeckt und schon am Samstag probiert, ob er sich am Rad von Frau Böving, Guddels Mutter, befestigen ließ. Dann hatte er ein Stuhlkissen hineingelegt, damit der kleine Vittorio auch schön weich saß. Was ich für den Bruder tue, tue ich auch für Teresa, sagte er sich. Dafür wird sie mir dankbar sein. Sonntag morgen um halb acht trafen sie sich bei Guddel. Karl trug wieder seine gebügelte -Hose, über die Egon so gespottet hatte. Aber eigenartig, heute machte niemand eine dumme Bemerkung darüber. Egon und Guddel hatten sich nämlich auch herausgeputzt und waren nicht weniger vornehm gekleidet als Karl. Alle warfen sich verstohlene Blicke zu, verglichen ihren Aufzug mit dem der andern und fanden sich selbst am elegantesten.
    „Ich schlage vor, wir benutzen auf der Hinfahrt nur Nebenstraßen und finstere Waldwege“, sagte Karl. „Denn wenn irgend so ein früh aufgestandener Polizist sieht, daß Guddel ein zweites Rad mitführt, kriegen wir Ärger und kommen zu spät.“
    „Unsinn!“ rief Egon. „Wenn wir einen großen Umweg machen, kommen wir auch zu spät. Wir drehen das Ding ganz anders. Ich presche ein paar hundert Meter voraus und peile die Lage. Kommt mir ein Streifenwagen entgegen, pfeif’ ich dreimal, dann hat Guddel Zeit genug, das zweite Rad in aller Ruhe an einen Baum oder Zaun zu stellen und so zu tun, als ob er auf jemanden warte.“
    „Na, schön“, stimmte Karl zu, „dann bleibe ich hinten und gebe Guddel Rückendeckung.“
    Sie radelten los.
    Bis zur Burger Brücke fuhren sie ungeschoren, aber ausgerechnet dort tauchte, aus der Grambkermoorer Landstraße kommend, ein Streifenwagen auf, dessen Insassen Guddel mit seinen beiden Fahrrädern unbedingt sehen mußten, wenn sie nicht blind waren, so nahe waren sie schon. Egon hatte den Wagen zu spät entdeckt. Jetzt pfiff er schrill wie eine Werksirene und wedelte mit beiden Armen in der Luft herum.
    Das lenkte die Aufmerksamkeit der Polizisten auf ihn. Sie hatten bei dem schönen Wetter nämlich das Fenster heruntergedreht und wurden daher von Egons wilder Pfeiferei getroffen wie von einer Pistolenkugel.
    Der Fahrer hielt und winkte Egon zu sich heran.
    „Sag mal“, rief er, „willst du die Fische verscheuchen? Nimm gefälligst die Hände an den Lenker! Freihändigfahren ist verboten.“
    „Okay“, antwortete Egon, „geht in Ordnung. Ich wollte nur mal probieren, ob ich’s noch kann. Und weil hier kein Mensch auf der Straße ist, hab ich’s mal gemacht. Die Sache ist ganz ungefährlich, wenn man sie

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