Karl der Dicke beißt sich durch
der spannt sie dir aus! Sein zurückhaltender Charme schlägt deine Fettleibigkeit um Kilometer!“
Karl winkte ab.
„Wenn er deinen Charakter hätte, ja, dann würde er mir ins Gehege kommen“, knurrte er, „aber Guddel ist ein Gentleman, der genau weiß, wie weit er gehen darf, ohne seinen besten Freund zu verletzen.“
Teresa fuhr inzwischen allein auf Guddels Rad. Sie benutzte die Gangschaltung, drehte Kurven, jagte davon, bremste und riß auf einmal das Vorderrad hoch und fuhr mindestens zehn Meter nur auf dem Hinterrad. Den Freunden blieb der Mund offen.
„Hast du das gesehen?“ rief Karl begeistert. „Das kann ich ja nicht mal! Tritt mich mal in den Hintern, damit ich fühle, daß ich nicht träume!“
„Mit Vergnügen“, sagte Egon und schickte sich an, Karls Bitte zu erfüllen, aber da stand Teresa plötzlich freihändig auf dem Sattel, ließ das Rad laufen und strahlte die Jungen an. Egon konnte vor Staunen nicht zutreten, und Karl war so ergriffen, daß er sich hinsetzen mußte. Weil er vor lauter Verwirrung vergaß, wo er sich befand, und sein Fahrrad für einen Ohrensessel hielt, in den er sich hineinwerfen wollte, ging er zu Boden, als hätte ihn jemand erschossen.
„Uff“, grunzte er, „da setzte dich nieder!“
Teresa beherrschte noch mehr Kunststücke dieser Art. Sie saß plötzlich auf dem Lenker und fuhr rückwärts, kniete auf dem Sattel, stand auf dem Gepäckträger und beendete schließlich ihre Darbietungen mit einigen Kreisen und Achten, die sie nur auf dem Hinterrad fuhr. Strahlend und ein bißchen außer Atem hielt sie an und gab Guddel das Rad zurück.
„Du bist ja ein richtiger Kunstfahrer!“ rief Egon. „Das macht dir so leicht keiner nach. Hast du das in Italien gelernt?“
„Nee, auf dem Südpol!“ spottete Karl.
„Mach’ ich Kunst mit Freunde immer in Italia“, erklärte Teresa.
„Wir da haben große Fahrradern und kleine.“
Karl hatte sich aufgerappelt, rieb sich nun den Hintern und kam humpelnd näher.
„Mein lieber Schallischinsky“, sagte er, „wenn wir das nachmachen wollen, müssen wir noch ‘ne Kleinigkeit dazulernen! Das kann man nicht so aus dem Ärmel schütteln.“
„Ich probier’s mal!“ rief Guddel. „Nur auf dem Hinterrad zu fahren dürfte eigentlich nicht so schwer sein.“ Er saß auf und jagte los. Nach einigen Metern riß er das Vorderrad hoch, lehnte sich weit zurück und fuhr ein ganzes Stück allein auf dem Hinterrad.
„Na, was sagt ihr dazu?“ rief er. „War das nicht ein guter Anfang?“
Nun wollten auch Karl und Egon herausfinden, wie weit es mit ihrer Geschicklichkeit bestellt war. Sie schwangen sich auf ihre Räder und versuchten ihr Glück. Egon gelangen die ersten Versuche ebensogut wie Guddel, aber Karl rutschte dauernd rückwärts vom Sattel und landete mit beiden Füßen auf dem Boden, sowie er das Vorderrad hochgerissen hatte.
„Ich hab’ das Gefühl, meine Karre ist fürs Kunstfahren nicht konstruiert“, brummte er verärgert, „bei der haben sie den Schwerpunkt zu tief gelegt.“
Egon grinste schadenfroh.
„Der einzige Schwerpunkt, der zu tief liegt, bist du!“ rief er.
„Wenn du ein Jahr lang nur von Kaugummi und Buttermilch gelebt und einen halben Zentner abgenommen hast, liegst du genau richtig mit deinem Schwerpunkt.“
Karl tippte sich an den Kopf.
„Mein Gewicht steht in einem idealen Verhältnis zu meiner Größe“, sagte er. „Ich bin doppelt so groß wie breit, das ist der Goldene Schnitt, falls du davon schon mal was gehört haben solltest. Bei deiner unterernährten Überlänge kommt nicht mal ein eiserner Schnitt heraus.“ Er stellte sein Rad auf den Ständer und setzte sich zu Guddel und Teresa ins Gras. „Mein Fahrrad ist nicht gut“, erklärte er, „constructione est kaputto.“
„Nein, nein“, sagte Teresa und lächelte, „Fahrrad ist gut, du, Carlo, bist zuviel groß!“
„Zuviel dick!“ berichtigte Egon.
„Ja“, stimmte Teresa zu, „Carlo ist zuviel dick.“
Karl drohte Egon hinter dem Rücken des Mädchens mit der Faust und warf einen Stein nach ihm. Und um das allgemeine Interesse von seiner Figur abzulenken, schlug er Guddel kräftig auf die Schulter und rief: „Mensch, Leute, wir haben doch in den letzten Tagen ein paar Mark fuffzig verdient! Da wäre doch ein Erholungsurlaub drin, oder? Was haltet ihr davon, wenn wir morgen alle nach Worpswede führen? Deine Mutter, Guddel, wird uns doch ihr Fahrrad noch mal zur Verfügung stellen,
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