Karl der Dicke beißt sich durch
horchte an der Tür. Da hörte er die Kinder leise miteinander sprechen. Das verunsicherte ihn noch mehr, denn normalerweise brachen sie, kaum daß sie den Schlaf abgeschüttelt hatten, in ein wildes Geheul aus. Sie werden doch wohl nicht krank sein? dachte er und drückte voller Unruhe die Klinke herunter. Da fand er sie friedlich auf den Betten sitzend und sich angeregt unterhaltend. Axel war schon angezogen, während die beiden Kleineren noch mit dem Zuknöpfen ihrer Hemden beschäftigt waren.
„Guten Morgen“, sagte Herr Gregant. „Wie geht es euch? Habt ihr gut geschlafen?“
„Wir ja“, antwortete Axel aufgeregt, „aber den dicken Karl, den hätten sie heute nacht beinah erschlagen! Da ist ein Mann gekommen mit einem Stein oder einem Messer oder so was, und der wollte ihn umbringen!“
„Was sagst du da?“ rief Herr Gregant erschrocken. „Ein Mann mit einem Messer war hier im Haus? Ja, habt ihr denn die Tür nicht abgeschlossen und die Kette vorgehängt?“
„Das war doch nicht hier bei uns, Opa!“ rief Sven. „Im Wald war das, da wo die Särge in dem kleinen Haus stehen! Da sind wir doch gewesen und haben Indianer gespielt!“
„Ihr wart nachts im Wald?“ fragte Herr Gregant ungläubig.
„Ja“, sagte Volker eifrig. „Und da ist auf einmal ein Mann gekommen und hat Karl überfallen! Er hat ganz laut geschrien: ,Hilfe, ich bin überfallen worden! Helft mir doch!’ Und da sind Guddel und Egon hingelaufen und haben mit einem dicken Stock immer auf den Mann losgeschlagen. Jetzt ist er tot. Aber er hat auch selber schuld. Warum überfällt er Karl denn auch, wo er doch schon das ganze Gesicht voller Blut hat!“
„Hör auf!“ rief Herr Gregant entsetzt. „Denkt euch nicht immer solche Dummheiten aus! Wie leicht kann das mal wirklich passieren!“
„Das ist doch wirklich passiert!“ rief Axel. „Geh doch hin, und guck dir an, wie Karl aussieht! Das ganze Gesicht ist eine Blutlache! Er konnte gar nicht mehr gehen, die andern beiden mußten ihn stützen, sonst wäre er umgefallen!“
„Kinder“, schrie Herr Gregant, „jetzt macht mich nicht unglücklich! Wenn dem fremden Jungen hier was passiert, ist das eine böse Sache!“
Und er lief aus dem Zimmer, um sich persönlich davon zu überzeugen, wie es dem großen Babysitter ging.
Der lag auf dem Bauch, hatte das Gesicht in den Kissen vergraben und schnarchte gerade die letzte Runde. Als Herr
Gregant ihn vorsichtig an der Schulter rüttelte, knurrte er unwillig: „Laß mich schlafen, Mama, ich muß heute erst um zehn zur Schule.“
„Gott sei Dank, er lebt!“ murmelte Herr Gregant.
Da sagte Axel, der mit seinen Geschwistern hinter seinem Großvater hergelaufen war: „Ja, aber du mußt mal sein Gesicht sehen! Das ist ganz voller Blut!“
Gerade in diesem Augenblick warf Karl sich herum wie ein Delphin, um in der Rückenlage noch eine Mützevoll Schlaf zu tanken. Und da sahen Herr Gregant und die Kinder, daß sein Gesicht zwar von Blut rot war, aber nicht von dem, das auf der Haut, sondern von dem, das darunter floß und schuld war an Karls Vollreifen Apfelbäckchen.
Egon und Guddel, die im selben Zimmer schliefen, wachten auf und blickten erstaunt auf die frühen Besucher.
„Oh, guten Morgen“, sagte Egon gähnend, „müssen wir schon aufstehen? Ich dachte, die drei halbstarken Indianer würden nach der aufregenden Nacht etwas länger schlafen?“
„Ach, die stehen normalerweise schon viel früher auf“, sagte Herr Gregant. „Um diese Zeit haben sie sonst schon ihr halbes Tagesprogramm durch. Aber sagt mir um Gottes willen, was war denn los heute nacht? Ist euer Freund tatsächlich überfallen worden?“
„Wie kommen Sie denn darauf?“ fragte Egon grinsend. „Hat er das etwa behauptet?“
„Er nicht, aber meine Enkel!“ rief Herr Gregant.
„Die müssen geträumt haben“, sagte Egon. „Unserm Karl ging es noch nie so gut wie jetzt. Sehen Sie doch selbst die gesunde Farbe in seinem faltenlosen Gesicht! Strotzt der liebe Junge nicht geradezu vor Wohlbefinden?“
„Aber ihr habt ihm doch sogar geholfen!“ rief Axel empört. „Er hat um Hilfe gerufen, und ihr seid hingelaufen und habt den Mann mit einem Knüppel erschlagen! Und dann wolltet ihr die Polizei benachrichtigen!“
„Ja, das stimmt, so war das!“ bestätigte Sven. „Das hab’ ich genau gehört!“
Egon tat sehr erstaunt.
„Was erzählt ihr da?“ fragte er. „Wir hätten jemanden mit einem Knüppel erschlagen? Hörst du das, Guddel, was
Weitere Kostenlose Bücher