Karl der Dicke beißt sich durch
Teresa erzählte ihnen von Italien und von ihren vielen Geschwistern, nach denen sie große Sehnsucht hatte.
„Ich möchte gehen auch in Italien bald“, sagte sie, „wie Mama und Vittorio.“
Die Jungen trösteten sie, sagten ihr, daß es in Deutschland ja auch schön sei und daß sie bald das Geld zusammen hätten für die Feuerwehr. Dann brauche sie keine Angst mehr zu haben.
„Morgen wollen wir uns mal bei den Bauern nach Arbeit umsehen“, sagte Karl, „da wird bestimmt schon irgendwas zu ernten sein.“
„Si“, rief Teresa, „ist August bald am Ende, da sind gut erste Patate.“
„Patate?“ fragte Karl. „So was gibt es bei uns nicht. Was ist denn das für ‘n Obst?“
„Das könnten Kartoffeln sein“, sagte Guddel. „Jedenfalls hört es sich so an.“
„Ja“, sagte Teresa, „sind Kartoffeln.“
„Keine schlechte Idee“, rief Egon, „Kartoffelernte ist ‘ne angenehme Sache. Da sitzt du gemütlich auf dem Traktor und fährst mit dem Roder um das Feld, genauso wie letztes Jahr im Weserbergland, wißt ihr noch?“
Caesar war vom vielen Herumtollen so müde, daß er auf der ganzen Heimfahrt schlief und nicht einmal die Augen öffnete, als Teresa sich vor ihrer Haustür von ihm verabschiedete und ihm mit der Hand zärtlich über das Fell strich.
„In der nächsten Zeit können wir dich wohl nicht besuchen“, sagte Karl, „die Ferien dauern nicht mehr lange, und wir müssen noch ein paar Mark verdienen. Mach’s gut! Tschüß! Ciao!“
Guddel erfuhr von seiner Mutter, daß sie in der Zeit nach dem Krieg in Hinnebeck bei der Kartoffelernte geholfen habe und daß dort sicher auch heute noch Kartoffeln angebaut würden.
„Fahrt einfach mal hin, und versucht euer Glück“, sagte sie. „Hinnebeck ist nicht schlecht“, stimmte Egon zu. „Das liegt gleich hinter Schwanewede und ist in einer halben Stunde zu erreichen. Kommt, preschen wir mal eben hin.“
Karl erinnerte an den guten Appetit, den man in der frischen Luft bekomme, und bestand darauf, daß sie sich mindestens einige Stullen mitnahmen.
„Stellt euch vor, wir werden auf der Stelle engagiert“, sagte er.
„Dann wühlen wir uns da im Schweiße unseres Angesichtes durch die Kartoffeln und haben keinen Löffelvoll in den Mund zu stecken!
Und das ist gefährlich! Ihr glaubt ja nicht, wie Hunger den Menschen verändert! Er wird böse, tritt jeden, der in seine Nähe kommt, in den Hintern und zerfällt förmlich, löst sich auf gewissermaßen. Darum müssen wir uns unbedingt mit Proviant eindecken, bevor wir uns in die Einsamkeit der abgelegenen Höfe begeben, wo du stundenlang fahren kannst, ohne auf eine Gaststätte oder ein Lebensmittelgeschäft zu stoßen. Am nahrhaftesten wären ja Kartoffelsalat und ein halbes Dutzend Frikadellen, aber zur Not muß es auch mal ohne gehen.“
Der dritte Bauer, bei dem sie anfragten, hatte Arbeit für
sie.
„Ich kann euch aber nur brauchen, wenn ihr fleißig seid und selbständig arbeiten könnt!“ sagte er. „Faulpelze, die die ausgeworfenen Kartoffeln mit den Füßen wieder in die Erde treten, statt sie in den Korb zu sammeln, jag’ ich vom Feld.“
„Aber hören Sie mal!“ rief Karl. „Wir sind anständig und harte Arbeit gewohnt! Und mit Kartoffeln kennen wir uns sehr gut aus!“
„Ja“, flüsterte Egon, „besonders mit Bratkartoffeln.“
„Schön“, sagte der Bauer, machen wir mal einen Versuch! Was erwartet ihr denn als Stundenlohn?“
„Gute Arbeit, gutes Geld“, antwortete Karl. „Wir sind nicht neu in der Branche und wissen, was allgemein gezahlt wird.“
„Vier Mark!“ rief der Bauer. „Keinen Pfennig mehr! Wenn ihr es dafür tun wollt, könnt ihr anfangen.“
„Hm“, machte Karl, „das ist die unterste Grenze und nicht eben viel. Wir haben eigentlich gedacht…“
„Tut mir leid, Jungs, mehr ist bei mir nicht drin, sonst muß ich zusetzen!“
„Also gut“, lenkte Karl ein, „aber ein kräftiges Mittagessen muß außerdem dabei abfallen.“
„Das soll es“, stimmte der Bauer zu.
Sie ließen die Räder auf dem Hof, und dann fuhr der Mann sie mit seinem Traktor auf den Acker hinaus. Er hatte einen Kastenwagen angehängt, auf dem sich ein einfacher Roder, mehrere große und kleine Körbe und ein altes Moped befanden.
„Paßt auf“, erklärte er, als sie am Ziel angelangt waren und er den Roder an den Traktor gekoppelt hatte, „einer von euch fährt mit dem Trecker sauber in der Furche entlang, so, seht ihr? Dabei wirft der
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