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Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition)

Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition)

Titel: Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Fried
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des Aachener Kapitulars, heute Wolfenbüttel Cod. Guelf. 496a. Die flüchtige Zeichnung dürfte Karl dem Großen gegolten haben.
    Ordnung der Kirche, Kampf gegen Unbildung, Häresie und Aberglauben, Christianisierung des Volkes – so läßt sich der Inhalt knapp zusammenfassen. Zur Realisierung bedurfte der König der Mitwirkung aller Großen seines Reiches, der Bischöfe so gut wie der Grafen und Domänenverwalter. Regionale Unterschiede in der Verwirklichung sind deshalb zu unterstellen. Die älteste erhaltene Handschriftdes Aachener Kapitulars, ein schmaler Codex aus Fulda, schließt mit Predigten Augustins und einer Erklärung des Vaterunsers, befolgte also bereits – vielleicht für die Mission in Sachsen bestimmt – die vorstehenden Gebote[ 97 ]. Die Handschrift wurde wohl noch vor dem Jahr 800 geschrieben und zeigt auf der Innenseite des vorderen Einbands in flüchtiger und unvollendeter, doch gleichzeitiger Strichzeichnung – gewiß nicht für die Augen des Königs bestimmt – ein Kirchengebäude und daneben eine männliche Gestalt, deren rechte Hand den auf dem Boden stehenden Schild hält, deren linke sich in Augenhöhe auf eine (nicht ausgeführte) Lanze (wohl eher als einen Kreuzstab) stützt. Der Vergleich gestattet, die Figur als antikisierendes Kaiserbild zu deuten, als Kaiser oder König, ja, als Karl selbst. So flüchtig und unbeholfen die Zeichnung wirkt, so deutlich tritt ihre Botschaft, die Lehre hervor, die sie verbreitete: Der Herrscher erscheint als mächtiger Schutzherr, der die Kirche mit Waffen schützt und – wie der folgende Text zu erkennen gab – nach den Geboten des Glaubens und der Kirchenväter in Vorbereitung der heraneilenden Endzeit erneuert.
    Dieser Herrscher nun ging gegen Mißstände allenthalben in Kirche und Welt vor. Er trachtete nach einem Herrschaftsverband, der bis in die intimsten Regungen der Menschen christlich sein sollte. Altes Kirchenrecht, aus vielen Überlieferungen, zumal der «Dionysio-Hadriana» entlehnt, wurde in Erinnerung gerufen, neue kirchliche und weltliche Gebote zur Bereitung des Kommenden verkündet. Sie richteten sich – einzigartig unter allen Kapitularien des Königs – bald an die Bischöfe, an Priester und Klerus, an die Mönche, bald an «alle». Kein Kapitel wandte sich speziell an die Grafen, obgleich die mit der «Admonitio» durch das Land ziehenden Königsboten ohne Zweifel auch die in Aachen nicht anwesenden Grafen zu instruieren hatten.
    Systematische Ordnung entbehrte das Stück, historisch gewachsenen Vorlagen entnommen, nicht völlig, auch wenn die Gründe zur Erneuerung dieser oder jener Norm und gerade keiner anderen nicht dargelegt wurden. Es ordnete seinen Stoff nach der Dreiteilung von «Notwendigem», «Nützlichem» und einer für Kapitularien ungewöhnlichen Glaubensverkündung. Lagen konkrete, heuteaber verlorene Einzelklagen vor? «Man hörte …», so hieß es einmal (c. 74). Hatten Karls Berater Mißstände zusammengetragen und gebündelt dem König zur Korrektur vorgelegt? Manifestierte sich also ein reaktives Handeln in den Geboten? Es galt der zu erneuernden Heilsordnung. Lange war beraten worden, bevor Alkuin die Schlußredaktion übernahm. Die einzelnen Kapitel folgten keinem übergreifenden gesetzgeberischen Plan, verkündeten vielmehr Gebote, die dem heilspendenden Kirchenrecht entnommen waren und den Bedürfnissen des Augenblicks gerecht werden sollten. Die Zeitgenossen griffen wohl deshalb immer wieder auf diesen Mahnerlaß zurück.
    Die Anweisungen setzten mit Unabdingbarem (
necessaria
) ein (cc. 1–59). Ihr Wortlaut wechselte von der ersten Person des ‹Vorworts› und des Schlusses in die dritte allgemeiner Normen. Wer von seinem Bischof gebannt sei, damit begann die Abfolge der Kapitel, dürfe von niemandem zur Kommunion zugelassen werden. Es galt, die bischöfliche Jurisdiktionsgewalt zu stärken. Vor der Weihe zum Kleriker habe der Bischof Glauben und Lebensführung des Kandidaten zu prüfen. Umherziehende und fremde Kleriker dürften ohne Genehmigungsschreiben ihres Oberen nicht geweiht werden. Bischöfe oder Kleriker gegen eine Geldzahlung zu weihen, sei unzulässig. Priestern und Klerikern sei nicht gestattet, mit Frauen zusammenzuwohnen, es sei denn mit ihrer Mutter oder Schwester oder sonst unbescholtenen Personen. Ausleihe gegen Zins sei für alle verboten. Wetter-, Schadens- oder Heilzauber soll verboten und verdammt sein. Der Kampf gegen das Heidentum war noch lange nicht gewonnen. Weder

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