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Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition)

Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition)

Titel: Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Fried
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Stephanstag 795 zum Papst gewählten Leo III. an Karl gelangt sein; die Gebeine des Heiligen befanden sich seit dem späteren 6. Jahrhundert der Tradition nach in S. Lorenzo fuori le mura, der großen Friedhofskirche Roms. In diesem Hohlraum könnte aber auch die mittlerweile verschollene Kreuzreliquie des Königs deponiert worden sein. Beide Reliquien verweisen nach Jerusalem. Der Thron war demnach Reliquie und Reliquiar in einem. Daß Karl ihn je bestiegen hätte, ist nicht bezeugt. Erst Otto der Große machte ihn – in die Mitte des Umlaufs zurückversetzt und erhöht – aus Anlaß seineroder seines Sohnes Krönung im Jahr 936 oder 961 zu einem Königsstuhl[ 143 ].
    45 Hetoimasia (Bereitung des Throns), Ravenna, S. Vitale (früheres 6. Jahrhundert)
    Was aber bedeutete ein leerer Thron? Die Liturgie dürfte eine Antwort weisen. Sie kennt den leeren Thron, gemäß dem letzten Kapitel der Apokalypse als
Hetoimasia
(Etimasie) (Apc 22,1–4), als «Thron Gottes und des Lammes, dem seine Diener dienen werden», und gemäß Ps 88 (89),15 als endzeitliche Bereitung des Thrones für den Kommenden, den Weltenrichter[ 144 ]. «Gerechtigkeit und Gericht sind Deines Thrones Bereitung». Zeichen also des Kommens Christi und der Erwartung des Jüngsten Gerichts? Eine solche Deutung fügt sich bestens zu dem, was sonst über die Aachener Kirche bekannt ist, zu ihrem apokalyptischen Baumaß, ihrem Kuppelbild oder dem vermutete Weihehymnus.
    Die Zurüstung des Thrones war dem Westen im früheren Mittelalter durch eine Reihe von Mosaiken und aus der Liturgie der zweiten Weihnachtsmesse (mit Ps 92 (93),1) vertraut. Karl dürfte sie unmittelbar vor seiner Kaiserkrönung gehört haben und konnte sie während der Krönung in der Confessio der Peterskirche zu Rom[ 145 ], dann auch im Triumphbogenmosaik der großen Marienkirche, S. Maria in Praesepe, und andernorts bildhaft mit eigenen Augen bewundern. Die üblichen «Akteure» der Zurüstung, Engel oder die Apostel Petrus und Paulus, könnten als Wandbilder an den Pfeilern seitlich des Thrones imaginiert gewesen sein[ 146 ].
    In der Ostkirche war das Thema der «Zurichtung» weit verbreitet. Zwar kennen wir den einstigen Bildschmuck der Hagia Sophia nicht; doch dürfte dort ein solcher Thron gestanden und Karl zum Vorbild gedient haben. Auch kann der Elfenbeinthron des Erzbischofs Maximian von Ravenna, eine Gabe vielleicht des Kaisers Justinian, geschmückt mit Szenen des Jesuslebens, doch zu klein, um als Sitz zu dienen, als Sinnbild der Hetoimasia gedeutet werden. Karl dürfte «seinen» Thron als wesentlich für den anagogischen, zum himmlischen Jerusalem aufsteigenden Sinn seiner Aachener Stiftung betrachtet haben. Der Priester, der am Thronaltar zelebrierte, konnte aufblicken zu dem kommenden Richter. Wie dem aber sei, Karl erfuhr sich in dieser, seiner Kirche nicht nur in der Nachfolge Justinians, sondern als König und Kaiser in Erwartung des neuen Äons, des kommenden Gerichts.
    Hier stimmte alles zusammen: Karls Pfalz, die Königshalle, das apokalyptische Maß des Kirchenbaus, die ‹römischen› Säulen und Kapitelle, die imperiale Symbolik, die Patrozinien, der Reliquienthron und die Hetoimasia, der Weltenrichter und Redemptor der Kuppel mit ihren 144 Sternen, der weite Platz zwischen Königshalle und Kirche, die Theoderichstatue auf demselben – sie alle gehörten zusammen, bildeten eine Einheit, deren Name
ad Lateranis
verrät, wo das Vorbild von Karls Pfalzanlage zu suchen war: in Rom, im
Palatium
Konstantins des Großen. Karls Pfalz orientierte sich am konstantinischen Herrschaftszentrum, wie es sich ihm nach den «Actus b. Silvestri» und wiederholtem eigenen Augenschein darbot, und übertraf es zugleich, insofern der königliche und kaiserliche Bau- und Hausherr in Aachen – anders als der erste christliche Kaiser – bis zu seinem Tod die Rechtgläubigkeit bewahrte, die Häresie bekämpfte und der Erlösung harren durfte.
    Auch dies letzte bekundete – seit wann? – ein Altar in seiner Kirche: Er stand inmitten des Oktogons, direkt unterhalb des thronenden Weltenrichters und war der Trinität geweiht, deren rechte Verehrung Karl gegen Adoptianismus und gegen bildverehrende oder bildfeindliche, gegen die das
filioque
ablehnenden Griechen verteidigt hatte[ 147 ]; er war Inbegriff von Karls Glauben und Herrschertum. Doch gleich Konstantin in der von ihm errichteten Salvatorkircheseines Palatiums so wünschte auch Karl, daß «das Christenvolk gemeinsam mit uns

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