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Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition)

Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition)

Titel: Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Fried
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forgâpi
,
    forgip mir in dîno ganâda rehta galaupa
    enti côtan uuilleon, uuîstôm enti spâhida enti craft
,
    tiuflon za uuidarstantanne enti arc za piuuîsanne
    enti dînan uuilleon za gauurchanne.
    (Allmächtiger Gott, der Du Himmel und Erde erschaffen hast und den Menschen so viel Gutes gegeben hast, gib mir in Deiner Gnade rechten Glauben und guten Willen, Weisheit und Klugheit und Kraft, den Teufeln zu widerstehen und das Böse zu meiden und Deinen Willen zu verwirklichen.) (Vgl. Abb. 3)
    Es war kein armer Zeitgenosse, dessen Gebet in Wessobrunn überliefert wurde. Karl könnte Gleiches erfleht haben. Reichtum und Macht verdankte er Gott, mit gutem Willen befolgte er die göttlichenGebote, ließ er unter den Heiden den Glauben verbreiten, Häresie verfolgen, die Kirche aufrichten. Mit Kraft, Klugheit und Weisheit regierte er sein Reich und lenkte er die Kirche; prachtvoll erhob sich der neue «Tempel» in Aachen. Die Teufel aber rüsteten zum Kampf um die Seelen, wenn der Tag käme, an dem es ans Sterben ginge. Alsbald erhöbe sich ein gewaltiger Kampf zwischen den Heeren der Hölle und des Himmels. Wessen Heer würde seine Seele nach dem Tode zugeführt? Satans oder der Engel? In der Hölle siedete schon das Pech, in das die Verworfenen geworfen würden. Manch einer der Mächtigen bangte um sein Heil.
    Furcht, ja, Angst vor dem Gericht packte arm und reich. Die Schrecken der Endzeit warfen ihre Schatten voraus, und keineswegs nur das schlichte, ungebildete Volk geriet in Sorge. Selbst ein Heiliger wie der von Karl besonders verehrte Augustinus hatte sich, wie er in seinen «Bekenntnissen» einräumte, ein Leben lang vor dem Tod und dem göttlichen Gericht gefürchtet (Conf. VI,16,26). Auf Gnade ließ sich nur hoffen, nicht pochen; ein Mächtiger wie Karl wußte darum und folgte, so gut er es vermochte, den Weisungen der Heiligen.
    Tod und Gericht trafen zusammen und bedrohten einen jeden. «Da hörte ich sagen die Weltweisen»: Am Tag des Gerichts kämpfe Elias gegen den Antichrist, Elias werde verwundet, sein Blut tropfe auf die Erde und entzünde den Weltbrand. Alles brenne, Berge und Bäume, die Moore verschlängen sich selbst, der Himmel verbrenne. Dann geht’s zum Gericht. Keine Lüge, kein Meineid helfen dort. Die Botschaft von Weltende und Gericht ließ Karl eigens verbreiten. In der Mahnung zu ihr gipfelte und schloß die «Admonitio generalis» von 789. Sie war ein Mittel zur Disziplinierung des Volkes.
    Vorstellungen vom Weltbrand, wie sie das zitierte bairische «
Muspilli
»-Lied in Verse packte, kursierten im Reich Karls des Großen. Sie verlangten buchgelehrtes Wissen. In ihnen spiegelte sich der Glaube der Prediger und der literaten Eliten. Apokalyptik war Expertenwissen, setzte Bildung voraus. Verbreitet wurde sie und geschürt wurde die Angst eben von den Schriftgelehrten, nicht von ungebildetem Volk. Karl, der König und Kaiser, wird sein eigenes und das Weltende mit gleichartigen Visionen erwartet haben.Doch wann würde das letzte sich ereignen? Würde es zu seinen Lebzeiten geschehen? Bald hernach? Irgendwann später? Wer sollte es wissen? Ließe sich Gewißheit erlangen?
    Der König und seine Gelehrten deuteten mit keiner Silbe an, wie nah bevorstehend oder wie entfernt noch diese Schlußphase der Heilsgeschichte sei. Doch aus Spanien kam beunruhigende Kunde, und die Ereignisse in Konstantinopel schienen sie zu bestätigen. Stand das Ende bevor? Wer die Geschichtsbücher nachschlug oder sich bei den Kirchenvätern informierte, stieß auf eine Reihe sich widersprechender Autoritäten. Häretiker stimmten in diesen Chor ein, aber Heilige wie Hieronymus, der Übersetzer der Vulgata, ein Kenner also der ganzen Bibel, gaben den Ton an. Andere beruhigten in Unruhe versetzte Gemüter, ohne das Nahen des Endes selbst zu bestreiten. Mit jedem Jahr wurde die Zeit knapper, schmolz die Frist der 6000 Jahre, die der Welt insgesamt vergönnt waren; und das wollte bedacht sein.
    «Vom Ursprung der Welt bis zur Ankunft des Herrn sind es 5199 Jahre … Von der Inkarnation des Herrn bis zum zwanzigsten Königsjahr des Königs Karl sind es 789 Jahre». So rechneten die Lorscher Schöpfer des Prototyps des karolingischen Reichskalenders, der eben in diesem letztgenannten Jahr entstand, dem 5988. Jahr seit Erschaffung der Welt[ 4 ]. Die Zählung folgte dem hl. Hieronymus und offenbarte eine beunruhigende Nähe zu heilsgeschichtlich relevanten Terminen, dem Ende nämlich des sechsten Jahrtausends. Ganz

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