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Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition)

Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition)

Titel: Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Fried
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ein solcher Substanz, Qualität und Quantität bezeichnet», so hatte Alkuin den König und seinen Sohn Pippin belehrt[ 168 ] – jetzt eben die Substanz realer Herrschaft, die Qualität der Herrschaft über Könige, die Quantität aller Kaisersitze des Westens.
    Mißfiel diese Konzeption dem römischen Pontifex? Der «Liber pontificalis» zeichnete das Geschehen tatsächlich grundlegend anders. Seine Darstellung näherte sich nur scheinbar den «Reichsannalen». Vier Stationsgottesdienste, bei denen der Papst gegenwärtig sein sollte, prägten das Weihnachtsfest in Rom: Die Vigil in S. Maria Maggiore auf dem Esquilin, die nächtliche Messe zur Zeit des Hahnschreis «bei der Krippe», also in der Geburtsgrotte derselben Kirche, die zweite Weihnachtsmesse in S. Anastasia am Fuß des Palatin westlich neben dem Circus Maximus, die dritte Messe endlich in St. Peter[ 169 ]. Die ganze Innenstadt mußte damit in der Heiligen Nacht in aufwendiger Prozession durchquert werden. Karl besuchte vermutlich alle vier Messen; doch erst während der dritten Weihnachtsmesse erfolgte die Krönung. Nur von ihr handelten die Zeugnisse, die Karls Erhöhung zum Kaiser ansprachen.
    Das Papstbuch nun, das sich lang und breit über Leos Rückkehr aus Sachsen ausgelassen, das ausführlich von der bischöflichen Gerichtsversammlung gegen die Attentäter Paschalis und Campulus und vom Reinigungseid des Papstes berichtet hatte, verstand sich nur zu wenigen, äußerst knappen Sätzen über Karls Krönung: Daß der Papst «ihn» in St. Peter mit einer kostbaren Krone krönte, daß «danach alle gläubigen Römer angesichts des Schutzes und der Liebe, die er für die heilige römische Kirche und ihren
Vicarius
hegte, nach Gottes und des seligen Schlüsselträgers Petrus Willen», ihn «dreimal vor der heiligen
Confessio
des seligen Petrus bei Anrufung mehrerer Heiliger» als Kaiser akklamierten, und daß Karl auf diese Weise zum «
Imperator
der Römer» konstituiert wurde.
Karolo, piissimo Augusto, a Deo coronato, magno et pacifico imperatori, vita et victoria
. Hier handelten kein Karl und keine Franken, sondern ausschließlich im Vollzug göttlichen und des Apostels Willens die Römer und ihr Pontifex. Von einer ‹Designation› war also – ebensowenig wie in den «Reichsannalen» – keine Rede; die Krönung war der Übertragung des «Namens» vorausgegangen und war Krönung zum «Kaiser der Römer». War sie damit zum konstitutiven Akt geworden? Alsbald salbte Leo Karls gleichnamigen Sohn mit heiligem Öl zum König[ 170 ]. Es setzte wiederum den Willen und die Weisung des neuen Kaisers voraus.
    Nach der Meßfeier beschenkte der Imperator Augustus gemeinsam mit seinen Söhnen und Töchtern die Peterskirche mit kostbaren Gaben, die wiederum lang und breit aufgezählt wurden. Groll gegen Leo verbarg sich hierin gewiß nicht. Auch die Kirche des hl. Paulus sowie die Salvatorkirche, die Bischofskirche des Papstes, wurden mit Stiftungen bedacht. Dies letzte könnte ein Hinweis darauf sein, daß Karl am Tag der Unschuldigen Kindlein (28. Dezember) und am ersten Fastensonntag an der Messe in den beiden beschenkten Kirchen, den Stationskirchen des Tages, teilnahm. Die Gabe an die Erlöserkirche wurde unter Leo IV. im «Liber Pontificalis» erwähnt, ein Gemmenkreuz nämlich aus reinem Gold und mit Edelsteinen verziert, das fortan bei den
Letania
-Prozessionen dem Papst vorangetragen wurde, bis es zur Zeit des Papstes Paschalis gestohlen wurde[ 171 ]. Gemmenkreuze aber verwiesen auf die Wiederkehr Christi zum Gericht und repräsentierten das künftige, das himmlische Jerusalem[ 172 ]. Daran gemahnte Karl in symbolischer Form aus Anlaß seiner Krönung am ersten Tag des endzeitlichen Äons.
    Doch soll der Franke unzufrieden mit dem weihnachtlichen Kirchgang gewesen sein, geradezu ablehnend (
aversatus
). Hätte er, Karl, geahnt, was der Papst vorhabe (
pontificis consilium
), hätte er trotz des hohen Festes die Kirche nicht betreten; so kolportierte sein Biograph Einhard (c. 28). Die Historiker rätseln seit je und bis heute über diesen Satz. War es die Art, wie sich der Papst zur Geltung gebracht hatte, die Karl irritiert hatte? Als er seinen Sohn Ludwig zum Kaiser erhob, im Jahr 813, unterblieb jegliche Beteiligung des Papstes, auch jeder Hinweis auf Rom und sein Imperium.War das des Franken Antwort auf Leos III. unerwünschtes Handeln? Oder nahm er damals wegen der Verhandlungen mit Byzanz Rücksicht auf Ostrom, das eben zwar die Kaiserwürde

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