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Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition)

Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition)

Titel: Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Fried
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zugestand, doch «das Kaisertum der Römer» exklusiv für sich in Anspruch nahm? Handelte Karl nun, im Jahr 813, dezidiert gemäß dem byzantinischen, dem wahren «römischen» Brauch, wonach der Hauptkaiser einen Mitkaiser krönte[ 173 ]? Karl kannte demnach das oströmische Krönungszeremoniell. Sah er dasselbe aber bei seiner eigenen Krönung verletzt?
    Einhard hatte schon an früherer Stelle vermerkt (c. 23), daß Karl ausnahmsweise, wie er selbst eingeräumt habe, auf ausdrückliche Bitten des Papstes römische Tracht angelegt habe: die lange Tunika, den römischen Mantel und römische Zeremonialschuhe. Wer aber sich so kleidete oder einkleiden ließ, wußte, was ihn erwartete; er konnte von dem, was dann in der Kirche geschah, in keiner Weise überrascht gewesen sein. Einhard widersprach sich mit dieser Bemerkung also selbst. Karl mußte das Geschehen während der dritten Weihnachtsmesse erwartet und das hieß selbst gewünscht haben. Das Zeremoniell dürfte minutiös abgesprochen gewesen sein.
    Niemand hätte den Frankenkönig ohne seine Bereitschaft eine Krone aufsetzen, niemand ihn salben, niemand ihn adorieren können. Nicht einmal die Abfolge der erhöhenden Akte hätte den Betenden, der über die Liturgie der Messe seit langem bestens informiert war, verwundern oder irritieren können[ 174 ]. Die Krönung durch den Papst war nur das sichtbare Zeichen für den Kaiserruf der Römer, an dem freilich nach dem «Liber Pontificalis» kein Franke beteiligt gewesen zu sein scheint. Die Akklamation erfolgte zu dem liturgisch ‹richtigen› Zeitpunkt. Nichts an diesem Verlauf rechtfertigte Einhards Skrupel.
    Eine «spontane» Kaiserakklamation war auch in Konstantinopel in den hier fraglichen Jahrzehnten nicht üblich; die jungen Kaiser wurden damals jeweils durch den Hauptkaiser und Vater erhoben. Sollte es der Wortlaut des «Kaiserrufes» gewesen sein, der Karl verstimmte, da er dezidiert den Franken zum «Kaiser der Römer» ausrief? Karl aber wollte nicht von deren Gnaden erhöhtwerden, sondern aus eigener Macht, «von Gott». Die Übertragung des «Kaisernamens» (ohne Romevokation) war ja tatsächlich schon tags zuvor im Konsens «des ganzen christlichen Volkes» beschlossen worden. Doch auch dieser Vorschlag zur Erklärung von Einhards kryptischer Nachricht vermag nicht zu überzeugen.
    Wie Karl die Krönung verstanden wissen wollte, lassen die «Reichsannalen» erkennen: als Teil des Rituals nämlich seiner Erhöhung zum
Imperator
und
Augustus
. Ob das Aufsetzen der Krone dabei der Akklamation vorausging, gleichzeitig mit ihr stattfand oder ihr folgte, gibt diese Darstellung nicht zu erkennen. Im Wortlaut des Kaiserrufes unterdrückten auch die fränkischen Annalen den Römernamen nicht; er war dem neuen Kaiser somit keinesfalls unerwünscht.
    Die Abfolge der Handlungen spielte zudem keine Rolle. Auch in Byzanz, an dessen «römischem» Erhebungsritual sich Karls Kaiserkrönung orientiert haben dürfte, konnten Einkleidung mit dem kaiserlichen Ornat und Krönung der Akklamation vorausgehen – dann nämlich, wenn eine verpflichtende Nennung des Kandidaten durch den Senat resp. durch Heer, Senat und Volk oder deren Beauftragten bereits erfolgt war[ 175 ]. Die Kaisererhebung war in Ostrom längst eine Kettenhandlung ritueller Akte geworden: Designation gemeinsam durch die Archonten, Senat und Repräsentanten des Heeres oder auch nur durch eine dieser Gruppen, dann Krönung, dann Akklamation.
    Eben dieses Verfahren und eben diese Abfolge lassen sich für Karl erkennen, sobald jene Willenserklärung von Papst, Synodalen, Grafen und Volk berücksichtigt wird, die der ‹Lorscher› Annalist erwähnte, «Reichsannalen» und «Liber Pontificalis» aber als nicht zur liturgischen Bestätigung gehörend übergingen[ 176 ]. So gesehen folgte Karls Kaisererhebung recht genau dem byzantinischen, mithin dem korrekten «römischen» Kaiserzeremoniell. Die Großen schlugen dabei Karl als Kaiser vor (
iustum eis esse videbatur, ut …ipsum nomen aberet
), das christliche Volk «erbat» ihn als solchen (
populo petente
)[ 177 ]. Eine derartige «Bitte» kann nur – wie in Byzanz – als eine Art Akklamation geschehen sein. Am nächstenTag vollzog der Papst die Krönung, «adorierte» den neuen Kaiser, dann akklamierte das in der Peterskirche versammelte Volk den Gekrönten. Mehrfache, die Krönung begleitende Akklamationen sind für Byzanz gut bezeugt. Ostrom galt schlechthin als Maß für «Rom».
    Die Rätsel des

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