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Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition)

Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition)

Titel: Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Fried
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Macht. Die Frage des zwiefachen Kaisertums in Ost und West harrte auf Klärung und führte wieder und wieder zu Spannungen mit dem Basileus, seitdem in Konstantinopel Nikephoros und nicht mehr Irene auf dem Thron saß. Die Verteidigung der Grenzen verlangte unablässige Kampfbereitschaft, kostspielige Wachdienste und militärische Präsenz; sie belastete alle Vasallen und zumal die großen Kirchen und Klöster.
    Unbekannte «Nordleute» bedrohten die Grenzen Sachsens und des Frankenreiches: Normannen, Dänen, Piraten (
vikingr
, daraus Wikinger), Barbaren, Heiden, oder wie immer sie genannt wurden, überfielen die Küsten und küstennahen Klöster. Mit ihren schnellen, seit dem späteren 8. Jahrhundert gesegelten Booten tauchten sie plötzlich am Horizont auf, plünderten und waren verschwunden, ehe an Abwehr zu denken war. Iren und Angelsachsen bekamen ihre rätselhafte Kampflust zuerst zu spüren. 793 überfielen Wikinger das Kloster Lindisfarne an der Ostküste Schottlands und kehrten mit reichen Schätzen beladen in ihre Heimat zurück. Der Erfolg weckte die Beutegier. Händler und Räuber in einem, die sie waren, organisierten sie sich in wechselnden Gefolgschaften. Eine entfesselte Angriffslust und kaum glaublicher Wagemut trieb sie in immer größeren Scharen zu immer kühneren Fahrten über das Meer und über die großen Flüsse ins Landesinnere; bald besetzten sie ganze Landstriche und ließen sich dort dauerhaft nieder. In den nächsten Jahrzehnten sollten sie den Kontinent umrunden, bis nach Paris, nach Italien und Konstantinopel, nach Aachen, Köln und Mainz vorstoßen.
    Die Franken unterhielten lange Zeit keinerlei Kontakte nachSkandinavien. Erst Karls Sachsenkriege und die dauerhafte Eroberung Sachsens brachte sie in die Nachbarschaft zu den «Dänen». Diese wiederum pflegten keine Schriftlichkeit, ihre mündliche Dichtung, so formal hochstehend sie auch war, ist kaum überliefert. Die mehr als spärlichen Nachrichten aus dem Frankenreich übertönen das Schweigen nicht. Auskunft über die Frühgeschichte der «Normannen» zur Zeit Karls des Großen ist damit nicht zu gewinnen. Nur ahnungsweise und summarisch zeichnen sich Lebensformen ab[ 87 ]. Soviel aber dürfte feststehen: Die bislang praktizierte Küstenschiffahrt bedeutete für die Franken keine Gefahr. Doch fortan änderte es sich.
    Im Jahr 777 findet sich ein erster knapper Hinweis in den «Reichsannalen» auf die «Region
Nordmannia
» als Zufluchtsort des Herzogs Widukind, und nur in ihrer überarbeiteten Fassung wird präzisiert, der Sachsenherzog sei zu dem Dänenkönig Sigfrid geflohen. Für Karl selbst bestand offenbar kein Bedürfnis, das Geschehen genauer festhalten zu lassen. Fünf Jahre später, auf dem Hoftag in Lippspringe im Sachsenland, auf dem Höhepunkt der Widukind-Krise, erschien ein gewisser Halftan als Gesandter des «Normannen»-Königs Sigfrid. Nur beiläufig wurde seine Anwesenheit erwähnt, Näheres aber übergangen. Eingetroffen war er mit «allen» Sachsen außer Widukind; auch Gesandte des Khans der Awaren hatten sich dort eingefunden. Offenbar erhöhte die Gegenwart dieser Gesandtschaften Karls Triumph über die Sachsen, dessen der König sich damals erfreuen zu können hoffte. Erst Jahre später, zur Osterzeit 798, findet sich die nächste Nachricht. Jetzt griffen «Nordleute» (
Nordliuti
) jenseits der Elbe, mithin nordalbingische Sachsen, fränkische Gesandte an, die dort Recht sprechen sollten. Von den Aufrührern wurde auch, wie die jüngere Version der Annalen vermerkte, ein Legat des Königs Gottschalk erschlagen, der sich auf dem Rückweg von dem König Sigfrid befand – eine dunkle, kaum zu entschlüsselnde Information, die nur so viel verrät, daß der Karlshof kein klares Wissen über die Dänen, ihre soziale Ordnung, ihre Herrschaftsverhältnisse und die Machtkämpfe unter ihnen, schon gar nicht über ihre religiösen Kulte und Kultzentren besaß, vielleicht nicht einmal zu erlangen wünschte.Unterscheidungen zwischen den verschiedenen skandinavischen Völkerschaften finden sich ebensowenig.
    In der Tat, im Frankenreich bemerkt man kaum, welche Unwetter sich da im Norden zusammenbrauten. Den Durchbruch brachte das Segel[ 88 ]. Auf die Normannen-Einfälle, die bald nach der Jahrhundertwende in großem Stil einsetzten und mit verheerenden Folgen über ein Jahrhundert hinweg anhalten sollten, waren die Franken in keiner Weise vorbereitet. Das fremde Volk blieb ihnen fremd. Missionierungsbemühungen

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