Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition)
setzten erst unter Ludwig dem Frommen ein. Sie führten freilich zu keinem raschen oder dauerhaften Erfolg. Im Jahr 804 erschien der «Dänen»-König Gottfrid mit Flotte und Reitern bei Schleswig, an der Grenze seines Königtums mit den Sachsen. Er versprach ein Treffen (
colloquium
) mit Karl, der mit seinem Heer nördlich der Elbe bei Hollenstedt lagerte, erschien aber – von seinen eigenen Leuten gewarnt – nicht und ließ lediglich einen Gesandten ausrichten, was er wünschte. Karl seinerseits verlangte die Rückgabe von Flüchtlingen. Was tatsächlich geschah, ist unbekannt (ArF). Mißerfolge verschleierten die kaisernahen Annalen gerne.
Als Gottfrid im Jahr 808 die Abodriten überfiel, eilte der älteste Kaisersohn Karl mit einem Heer über die Elbe, hinterließ nichts außer ein paar zerstörten slawischen Burgen, eilte unter hohen Verlusten zurück über die Elbe, während der Dänenkönig das Handelsemporium Reric zerstörte und die dortigen Kaufleute nach Schleswig/Haithabu überführte, und dort, an der Grenze zu den Sachsen, von der Ostsee bis zur Eider einen Grenzwall (Teile des noch heute erhaltenen «Danewerks») errichten ließ (ArF).
Einen Höhepunkt an Verwirrung unter den Franken brachte das Jahr 810. 200 Schiffe aus
Normannia
hatten Friesland überfallen, alle der Küste vorgelagerten Inseln verwüstet; auch Einhard erinnerte daran (c. 17). Die Dänen schlugen die Friesen und erpreßten einen Tribut von 100 Silbermark, bevor sie abrückten – über 50 kg Feinsilber. Der König Gottfrid aber war während dieser Attacke zu Hause geblieben; ob er überhaupt hinter dem Flottenangriff stand, erscheint fraglich. Karl schickte, so schnell er konnte, ein Heer gegen die «Piraten», rückte selbst mit einem zweiten Heer erst zurLippemündung, dann zur Aller, um, wie er annahm, diesem Gottfrid begegnen zu können, der sich gebrüstet hatte, sich mit dem Kaiser in offener Feldschlacht zu messen.
Kaum angekommen, überschlugen sich die Nachrichten: Der Elephant Hârûn al-Rašids sei eingegangen, jene dänische Flotte sei nach Hause zurückgekehrt, der König Gottfrid von einem seiner eigenen Leute ermordet, die (heute unbekannte) Burg Hohbuoki an der Elbe sei von den Wilzen zerstört worden, des Kaisers Sohn Pippin sei in Italien gestorben und je eine Gesandtschaft aus Konstantinopel und aus Córdoba sei eingetroffen, um über den Frieden zu verhandeln. Karl blieb nichts anderes übrig, als das desaströse Unternehmen gegen die Dänen aufzugeben und nach Aachen zurückzueilen. Während dieses Kriegszuges wütete zudem eine schwere Rinderseuche, die alle Zugochsen des Heeres und überhaupt das Vieh in seinem Reich dahinraffte (ArF), eine Katastrophe auch für die Armen. Es war der verheerende Auftakt noch weit schlimmerer Rückschläge, auch wenn im folgenden Jahr zunächst mit Gottfrids Neffen und Nachfolger Hemming Frieden geschlossen werden konnte (ArF 811).
Die schnellen Drachenboote, mit Segel und Riemen ausgerüstet, gegen die Behäbigkeit der fränkischen Kriegsochsen: Diesen Kampf konnten die Franken nicht gewinnen. Karl hatte zwar schon im Jahr 808 den Befehl zum Bau einer Flotte erteilt[ 89 ], dann 810 zur Renovation des Leuchtturms bei Boulogne, den er nun, im Oktober 811, selbst besichtigte (ArF). Damals erneuerte zugleich ein Kapitular die Bestimmungen zur Heeresfolge mit Einschluß der Wachdienste an den Grenzen; niemand sollte betrunken zum Dienst erscheinen oder Gefährten zum Trinken animieren; jeder Wehrpflichtige sollte Lebensmittel für drei, Kleidung und Ausrüstung für sechs Monate mit sich führen[ 90 ].
Die Gebote galten nicht etwa speziell der Normannenabwehr, vielmehr für das gesamte Reich von den Pyrenäen bis zur Elbe und darüber hinaus. Doch wurde auch bei Gent eine fränkische Flotte stationiert (ArF). Um wieviele Schiffe es sich jeweils handelte und wie dieselben ausgerüstet waren, wurde nicht überliefert, ebensowenig wer den Schiffsbau finanzierte. Zudem fehlen genauere Nachrichtenzur Bemannung oder Hinweise auf den Einsatz der Flotte. Nur eine knappe Bestimmung des Kapitulars von Boulogne hielt fest, daß, wenn der Kaiser ein Schiff aussenden wolle, die Herren (
ipsi seniores
) mit den Schiffen aufbrechen und sich dafür bereithalten sollten[ 91 ]. Offenbar waren Bau, Ausrüstung, Bemannung und Verpflegung der Besatzung Sache des küstennahen Adels und der dortigen Kirchen. Einhard ergänzte die Information (c.17): Der Caesar habe nicht nur eine Flotte
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