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Karlas Umweg: Roman (German Edition)

Karlas Umweg: Roman (German Edition)

Titel: Karlas Umweg: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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Ball bleiben, denn ich hatte das Gefühl, die Angelegenheit spitzt sich zu.
    »Kaum eine halbe Stunde später meldete ein Zimmerboy, dass ein Herr Sterz Marie zu sprechen wünsche. Er stehe unten in der Hotelhalle.
    »Ich lasse bitten«, sagte ich.
    Sterz kam auch schon hereingepoltert. Sehr groß und breit und blatternarbig. »Wo ist Marie?«
    »Beim Friseur«, sagte ich, »beim Teuersten der Stadt.«
    »Aha, macht nichts«, sagte Sterz und ließ sich auf Maries Bett nieder. Es ächzte gequält und die Tagesdecke verzog sich grämlich unter seinem Gewicht.
    »Paterne sucht eine Carmen?« Sterz lümmelte sich bequem auf Maries Bett, zündete sich eine Zigarette an und hielt mir das Päckchen anschließend unter die Nase.
    »Weiß von nichts«, sagte ich schüchtern. »Marie ist beim Friseur.«
    »Das sagtest du bereits», sagte Sterz und steckte seine Zigaretten wieder ein. »Ihr unterhaltet euch doch über alles. Will sie dem Alten Vorsingen, ja oder nein?«
    »Weiß nicht«, sagte ich völlig eingeschüchtert, »Marie ist beim Friseur!«
    »Ist ja gut, Mädchen! Sie ist beim Friseur! Soll ich da etwa hinrennen oder was?!« Ich hatte eigentlich gedacht, dass er keinen anderen Gedanken hegen würde als den, alle Friseure der Stadt abzuklappern, wie das die Anderen ja auch machten, aber Sterz flegelte sich auf Maries Bett und machte keinerlei Anstalten diesbezüglich. Ich sah unter seine riesigen Schuhe, an denen noch das Preisschild klebte: Schuhgröße 51!
    »Pass auf«, sagte er zu mir und schnippte seine Asche auf den Fußboden. Er schien es nicht opportun zu finden, auf Maries Tagesdecke zu aschen.
    »Pass auf, kleine Sklavin. Ich will wissen, ob Marie scharf auf die Carmen ist!« Sklavin! Was erlaubte sich Sterz!
    »Marie wird die Carmen in Paris singen«, sagte ich todesmutig zu diesem überdimensionalen Lümmel. »Es gibt auf dem ganzen Wettbewerb keine Konkurrenz für sie. Das müssten Sie doch wissen, wo Sie in der Jury sitzen!«
    »Das kann schon stimmen«, sagte Sterz und zupfte sich einen Tabakkrümel von der Zunge. »Im Wettbewerb ist kein hoffnungsvoller Nachwuchs zu finden. Aber es gibt andere Sängerinnen, die es mit Marie aufnehmen können! Bestell ihr das, ja, Kleine?« Er richtete sich mit solcher Lässigkeit auf, dass ich dachte, er stellt das Bett hochkant. Um ihn ein bisschen zu provozieren, sagte ich: »Sprechen Sie etwa von Ihrer Frau Sieglinde?« In dem Moment fiel mir ein, dass es eine erdige Kartoffel gibt, die diesen schönen Namen trägt, und musste wegen der akustischen wie optischen Ähnlichkeit kichern.
    »Allerdings«, sagte Sterz. »Ich habe sie schon informiert. Sie kommt direkt aus Bayreuth hierher. Du kannst Marie ausrichten, dass meine Frau ihr Konkurrenz macht!« Er lachte zynisch. Was für ein Kerl! Völlig klar, dass Marie eine Zeit lang im Begriff war, ihm zu verfallen. Wie gut, dass ich gegen Schwächen dieser Art vollkommen gefeit bin. Aus diesem Vorteil zog ich Kraft und Mut, es mit diesem Koloss an Dreistigkeit aufzunehmen. David gegen Goliath. Für Marie tue ich alles.
    »Geben Sie sich keinerlei Mühe«, sagte ich lässig. »Ihre Frau kann sich die Reisekosten sparen, Marie kriegt die Rolle. Da gehe ich jede Wette ein.«
    »Wieso bist du dir da so sicher?«, fragte Sterz argwöhnisch. »Schläft sie mit ihm oder was?«
    »Etwas viel Tieferes verbindet die beiden«, sagte ich wichtig.
    »Soso«, dröhnte Sterz. »Da bin ich aber gespannt.«
    »Sie ist seine Tochter, wenn Sie es genau wissen wollen.«
    Der Räuber Hotzenblotz war ausnahmsweise sprachlos. »Woher wissen Sie das?«, fragte er schließlich, wobei er gar nicht merkte, dass er mich auf einmal wieder gesiezt hatte! Ich weidete mich an seiner Überraschung.
    »Von Maries Mutter«, sagte ich lässig, »und die muss es ja wissen.« Da fiel mir plötzlich ein, dass ich Frau Pfefferkorn hatte schwören müssen, das ich dieses Wissen für mich behalte! Ein furchtbarer Schreck fuhr mir in die Glieder. Ich stand stocksteif da und hoffte, es wäre alles nur ein Traum und der Zyklop wäre überhaupt niemals in diesem Zimmer aufgetaucht. Aber er lümmelte in voller Größe und mit strähnigen Haaren auf Maries Bett.
    »Weiß sie das?«
    »Natürlich!« Jetzt half nur nach die Flucht nach vorn. »Sie posaunt es bloß nicht in der Welt herum, wie andere das vielleicht tun würden«, ereiferte ich mich. »Womöglich würde man ihr dann nachsagen, sie bekäme die Rolle nur deshalb, weil Paterne ihr Vater ist!«
    »Genau«,

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