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Karlas Umweg: Roman (German Edition)

Karlas Umweg: Roman (German Edition)

Titel: Karlas Umweg: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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bedeuten könnte!«
    »Vielleicht geben Sie Ihr im Notfall irgendetwas zur Beruhigung«, schlug ich lasch vor. »Sie hatten da doch letztens so ein wirksames Zeug …«
    »Mädchen, das lassen Sie mal meine Sorge sein«, sagte James der Undurchschaubare.
    Im Nachhinein bin ich mir nicht sicher, ob es richtig war, es gleich zwei Leuten zu erzählen, das Marie Paternes Tochter ist. Dieser Holzapfel sieht mir nicht so aus, als könne er den Mund halten, ärztliche Schweigepflicht hin oder her. Wenn der was hat, womit er Marie imponieren kann, dann packt der aus, der eitle Typ. Genau wie ich. Wir Menschen sind doch alle die gleichen Schwächlinge. Außer Willem. Willem kann schweigen.
    Das große Finale hat stattgefunden, die Sieger stehen fest! Marie hat nicht das Geringste zu befürchten; unter den Preisträgerinnen ist überhaupt keine Dame, die nur entfernt an die Carmen erinnern würde. Die einzige Mezzosopranistin stammt aus Colorado, kaut Kaugummi und sagt: »Isn’t it wonderful, Mom and Dad?« zu ihren auffallend bunt gekleideten Eltern in kurzen Hosen und Sandalen, die in ihrer Begleitung sind und ihr dadurch zwangsläufig die Karriere versauen. Sie kauen nämlich auch Kaugummi und finden es auch wonderful. Edwin Echtwein hat sehr gut Klavier gespielt, ich habe sehr gut geblättert. Mein letzter Job in dieser Hinsicht, wird doch das Preisträgerkonzert mit Orchester stattfinden. Ich habe jetzt nichts mehr zu tun und könnte eigentlich heimfahren, wäre da nicht Maries Auftrag, ihr sämtliche Liebhaber vom Hals zu schaffen, wenn Eugen Paterne in ihre Nähe kommt. Morgen werden die Proben für das Preisträgerkonzert beginnen. Spätestens da wird er Marie bemerken müssen. Ich habe jedenfalls noch nie davon gehört, dass ein Dirigent seine Solo-Sängerin nicht bemerkt, während er ihre Arie dirigiert!
    Die Mitglieder der Jury haben ein Abschiedsessen im Hotel Prinzregent gegeben. Eingeladen waren die Preisträger und die lobend erwähnten Förderpreise. Der Pianist war auch eingeladen, und dank Maries vehementer Fürsprache auch die Blätterfrau, die so zuverlässig bei sechsundvierzig Kandidaten die Noten umgeblättert hat. Das war ich! Ich hätte vor Stolz zerspringen können. Alle Juroren nahmen an dem Essen teil, es gab geschwenkte Wildschweinkeule Louis Kääns in Pfeffersauce mit Trüffelchen in Sherry mit dem Rahm einer Eule. Der Vorsitzende der Jury, Herr Professor Zurlinde, klopfte beim Nachtisch mit einem Löffel an sein Puddingschälchen und hob an, eine Rede zum Besten zu geben. Die Preisträger schauten andachtsvoll zu ihm hinauf, wagten auch nicht, weiter auf ihren Tellerchen herumzukratzen, und auch kein Oberkellner in der näheren und weiteren Umgebung rührte sich klappernd oder sonst wie geschäftig von der Stelle.
    »Meine lieben jungen Kollegen!«, sagte er zu den Preisträgern, und schon hatte er die Lacher auf seiner Seite. »Dieses Jahr war ein gutes Jahr!«, (Hahaha, lachten die Preisträger, und HAHAHA, lachten die Juroren!) »Der Weinstock hat gute, saftige Reben hervorgebracht, und die Weinkeller der Intendanten werden in Kürze um die allerbesten Jahrgänge bereichert werden« Die Preisträger erröteten vor Stolz und die Juroren erröteten vor Scham. Nur Echtwein und ich, wir erröteten nicht, sondern ließen eine Schokoladenzehe auf der Zunge zergehen, allerdings geräuschlos, das gebietet der Anstand in solchen Situationen.
    »Wir haben dieses Jahr wieder die Besten unter den Besten auswählen dürfen«, gab Zurlinde seinen Lieblingskalauer zum Besten, »und es war eine dankbare, eine lohnende Aufgabe!« Marie bugsierte nun auch eine Schokoladenzehe auf ihren kleinen Löffel, weil sie sich die zusammengeschwindelte Rede des Herrn Zurlinde versüßen wollte. »Morgen nun wird für uns alle die eigentliche Krönung des Wettbewerbes stattfinden« – er sah sich Beifall heischend um – »morgen werden wir alle dem großen, in seiner Art einzigartigen Meister des Taktstockes gegenüberstehen, und, meine lieben jungen und älteren (er hüstelte) Kollegen – das sind die Augenblicke im Leben eines Sängers, die er hinüberretten wird in das Schatzkästlein seiner Erinnerungen, nicht die Höhe der Gage, nicht die Anzahl der Beifallsbezeugungen (nicht das Geschwafel des Vorsitzenden), nein, die erste Begegnung mit diesem sagenumwobenen, ja, ich möchte sagen, Unikum auf seinem Gebiet … Sie wissen alle, von wem ich spreche … Meine lieben jungen Kolleginnen … (den Rest ließ er weg,

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