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Karlas Umweg: Roman (German Edition)

Karlas Umweg: Roman (German Edition)

Titel: Karlas Umweg: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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sagte Sterz langsam. »Das wird man ihr wohl nachsagen, wenn sie die Rolle kriegt!«
    Ich zuckte zum zweiten Mal ganz fürchterlich zusammen. War das etwa schon wieder ein Eigentor gewesen? Wo ich doch pausenlos versuche, Marie alles recht zu machen!!
    »Kein Schwein wird ihr das nachsagen«, sagte ich matt. »Es weiß ja schließlich niemand!«
    »Doch«, sagte Sterz mit drohender Miene, »ICH weiß es!«
    »Aber Sie halten doch den Mund!«, schrie ich, und als er sich plötzlich vor mich stellte, sackte ich halb vor ihm zusammen und fügte noch ein »Bitte!«, hinzu.
    »Fürs Mundhalten werde ich nicht bezahlt«, sagte Sterz und knipste den Zigarettenstummel in Kniehöhe ins Waschbecken. Ich starrte ihn entsetzt an.
    »Im Klo schwimmt die Kippe drei Tage oben«, entschuldigte er sich zynisch grinsend. Damit ging er zur Tür. Er musste sich richtig bücken, um an die Klinke zu kommen!
    »Herr Sterz«, rief ich flehend hinter ihm her. »Bitte, lieber, lieber Herr Sterz!«
    Aber der liebe, liebe Herr Sterz latschte bereits auf seinen Tretern Größe 51 meinem und Maries Untergang entgegen.
    Marie kam an dem Abend überhaupt nicht mehr nach Hause. Ich saß stundenlang in meinem Gram vor dem Tagebuch und sann meiner Dummheit nach. Zwischendurch presste ich ein paar Tränen der Reue hervor. Was, wenn Sterz jetzt gleich zu Marie ginge und ihr sagte, was er wusste? Marie würde den hysterischsten aller Heulkrämpfe kriegen, ihre Mutter anrufen, diese auf das Wüsteste beschimpfen, und natürlich würde sie auf mich losgehen, vermutlich im Affekt mit Haarnadeln oder Heißluftbürsten oder was immer ihr im Moment in die Hände fiele. Ich wartete lange auf meine Hinrichtung, aber nichts passierte, und auch das Telefon blieb stumm. Es war zum Verzweifeln. Tausendmal formulierte ich Ausreden und Erklärungen, damit Marie mir verzeihen würde. Aber mir war völlig klar, dass Marie mir nie und nimmer so eine unglaubliche Hintertriebenheit verzeihen wird. Mit Schimpf und Schande werde ich hier rausfliegen, vielleicht bin ich heute Abend schon nicht mehr in meinem Bett. Es ist zum Verzweifeln! Dadurch, dass Marie überhaupt nicht gekommen ist, weiß ich auch nicht, was vorgefallen ist! Hat Sterz sie beim Friseur gefunden und ihr brühwarm gesagt, dass Paterne ihr Vater ist und dass sie sich die Carmen an den Hut stecken soll? Oder ist alles ganz harmlos, und sie ist mit Clemens Matulka scherzend und lachend ins Kino gegangen? Oder hat vielleicht Herr Rosenmondt sie sogar zu einem heimlich organisierten Treffen mit Paterne geleitet und sie liegt jetzt längst in den Armen ihres Vaters, ohne zu wissen, dass in diesen Armen ihr eigenes Blut fließt? Ach, es ist zum Verrücktwerden! Warum kommt denn niemand und klärt mich über den Gemütszustand von Marie auf? Die Minuten schleichen. Ich muss hier raus. Ich werde einfach einen Spaziergang machen. Vielleicht lassen sich dabei die Gedanken besser ordnen.
    Marie ist aufgetaucht! Als ich von meinem Spaziergang zurück kam, saß sie fröhlich auf ihrem Bett, trank Sherry und musste mir unbedingt sofort von diesem wahnsinnig verrückten Nachmittag und Abend erzählen, den sie gestern verbracht hat, obwohl sie nichts anderes geplant hatte, als zum Friseur zu gehen! Gerade nämlich, als sie zahlen und das Etablissement verlassen wollte, stürzte Matulka herein, der ein Tulpensträußchen bei sich hatte. Er war überglücklich, Marie gefunden zu haben und freute sich über seine Cleverness, auf Anhieb den richtigen Friseur ausgekundschaftet zu haben. Mit seiner wasserstoffblonden Statistin sei es aus, stieß er strahlend hervor, und da habe er sich sofort auf den Weg zu Marie gemacht. Da soll noch einer sagen, Tenöre wären dumm! Marie ist dann am Arm von Clemens Matulka durch die Getreidegasse geschritten, um sich ein Vorsingekostüm für Paterne zu kaufen, und sie ließ Matulka glauben, dass sie auf sein Urteil, was das Vorsingekostüm betraf, größten Wert legte. Matulka war stolz und überglücklich zugleich, Marie bei einem Einkaufsbummel begleiten zu dürfen, und als die beiden da so daher schritten, begegnete ihnen Echtwein, der gerade mit den Kandidaten sein Wettbewerbsprogramm geprobt hatte und sich nun einen großen Braunen im Café Tomaselli genehmigen wollte. Marie kam sich nun ausgesprochen deplaziert vor am Arme des stolz geschwellten, dümmlichen Tenors, noch dazu mit dessen Tulpenstrauß in der Hand, und sie ließ Matulka stehen und rannte zu Edwin. Mit dem trank sie dann

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