Karlas Umweg: Roman (German Edition)
Marie, und sie hörte auf zu weinen, sah mich mit funkelnden Augen an und fragte: »Meinst du? Glaubst du wirklich, er wird mich bemerken?«
Ich versicherte ihr noch mehrmals, dass er gar nicht umhinkönne, eine so schöne, grünäugige und grün gekleidete kronleuchterbeschienene Frau zu bemerken, und daraufhin wurde sie sehr fröhlich und erzählte mir noch weitere Details von der Nacht mit Hartmut, dem Rosenmondt mit dt. Ich habe beschlossen, mir fortan jede Kleinigkeit genauestens zu merken, damit ich beispielsweise mit Ludger aus meinem Wissen Kapital schlagen kann. Hartmut Rosenmondt sei, und das sagte Marie mir hinter vorgehaltener Hand, nicht gerade ein Ausbund an Potenz!
Ich nickte. »Ach nein?«
»Weißt du, ich glaube, Männer, die pausenlos in Nachtlokale gehen und mit ihren Scheckkarten protzen und die Mädels in Lokalen ansprechen, die haben eigentlich ernsthaft Schwierigkeiten im Bett«, sagte Marie.
»Ach ja?«
»Du weißt ja, dass ich inzwischen bei Dr. Holzapfel eine Therapie gemacht habe«, sagte Marie, »und ich habe dadurch gelernt, die spezifischen Situationen, in denen sich Menschen befinden, kritisch zu analysieren.«
»Ach was.«
»Und deshalb fiel mir sofort dieser Hartmut auf, der sich a) mit seinem alten, völlig neutralen (da viel zu alten) Schwiegervater umgibt und b) an ausländischen Mädchen vergreift, die seine Scheckkarte imposant finden. Alles Indizien dafür, dass er sich minderwertig fühlt! Ein Mann mit einem gesunden Selbstbewusstsein, also auf Deutsch gesagt, mit einer funktionierenden Potenz, hat solcherlei Imponiergehabe nicht nötig!«
Ich staunte, wie klar und kritisch Marie inzwischen die Männer analysiert. Dieser Dr. Holzapfel ist wirklich ein riesiger Gewinn für ihr Leben. Das sagte sie auch selbst.
»Weißt du, Karla, ich spiele mit dem Gedanken, James zu bitten, vom Wolfgangsee herüberzukommen – das ist nur eine halbe Autostunde entfernt – und mit mir die kritische Situation hier und jetzt zu analysieren. Denkst du, er wäre bereit dazu?«
»Natürlich!«, rief ich aufmunternd. »Nur zu! Ich bin übrigens sicher, dass dieser James nur deshalb an den Wolfgangsee gefahren ist, weil er sich in deiner Nähe aufhalten will!«
Marie errötete bescheiden. »Meinst du wirklich?«
Ich bin erstaunt, wie wenig logisch Marie manchmal denkt. Also für mich besteht da kein Zweifel! James Holzapfel will nur wachsam sein, deswegen ist er überhaupt in Österreich! Wir beendeten unser Gespräch, nachdem ich Marie versprochen hatte, mich gegebenenfalls auch um Hartmut Rosenmondt zu kümmern, falls er ausgerechnet dann nicht von ihr ablassen wolle, wenn sie gerade mit James Holzapfel wichtige Analysen aufzuarbeiten habe.
Die größte Panne aller Zeiten! Paterne hat Marie auch bei dem Begrüßungsessen nicht bemerkt! Obwohl sie das Grüne anhatte UND unter dem Kronleuchter saß! Wir sind beide fix und fertig. Was soll nur werden? Für Marie ist diese Carmen in Paris lebenswichtig, das braucht sie einfach für ihr künstlerisches Selbstwertgefühl, sagt sie, und auch ich würde es begrüßen, wenn sie für längere Zeit nach Paris ginge. Also dieser Blindgänger Paterne! Wo war der nur mit seinen Gedanken, dass er seine eigene Tochter einfach übersehen konnte!! Ich war ehrlich betroffen über Maries unverdienten Misserfolg. Wir waren beide völlig ratlos und schwer frustriert und hatten keinerlei Eigeninitiative zur Lieferung brauchbarer Lösungsversuche dieses scheinbar unüberwindbaren Problems. Marie war die Erste, die wieder sprach.
»Was auch passiert«, beschwor sie mich, »du musst mir alle lästigen Verehrer abnehmen, falls ich mit Paterne zusammentreffe. Alle.« Sie weinte ein bisschen, wegen der unverdient starken Überbelastung ihrer Nerven.
»Ja ja, die ich rief, die Geister …«, blödelte ich, aber Marie hatte keinen Sinn für Lyrik in diesem Moment. Ich versprach ihr also, alle Geister von ihr fernzuhalten, falls Paterne in ihre Nähe käme, und da war sie’s zufrieden und lachte wieder. Außerdem, sagte sie heiter, sei die letzte Nacht mit Zurlinde auch nicht zu verachten gewesen, nach dem Empfangsessen sei sie mit ihm ins Spielcasino gefahren und habe dreitausend Schillinge verjubelt! Auf seine Kosten! Er habe nur väterlich gelächelt über ihre Spielsucht und gesagt, dass jeder Mensch diese Phase mal durchmacht. Marie findet Zurlinde wirklich überwältigend gütig und großmütig, und sie erzählte mir, dass er heimwerkerisch sehr begabt sei
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