Karlas Umweg: Roman (German Edition)
und zu Hause mit Hilfe seiner Söhne und des Sohnes seines Hausmeisters eine eigene Pergola gebastelt habe! Zurlinde ist ein häuslicher, ein väterlicher Mann. Und das gefällt Marie eben an ihm, dass er so warmherzig, tolerant und familiengerecht lebt.
Ich unterließ es, zu erwähnen, dass ich über die heimwerkerischen Vorlieben des Herrn Direktor bereits im Bilde sei, weil ich Marie nicht kränken wollte und weil sie gerade im Begriff war, wieder fröhlich zu werden.
Trotz alledem wünsche ich ihr, dass Paterne sie endlich bemerkt und sie sich ganz fürchterlich in ihn verknallt.
Marie ist schrecklich aufgeregt, weil das Vorsingen bei Herrn Paterne näher rückt. Gestern hatte sie eine Besprechung mit den Jury-Mitgliedern, da das Wettbewerbs-Finale morgen beginnt. In seiner väterlichen Art hat Herr Zurlinde wohl gütig und warmherzig erwähnt, dass in Paris die Stelle der Carmen vakant ist und Herr Paterne eine Carmen in Salzburg zu finden hofft. Dabei hat er milde lächelnd den Arm um Marie gelegt. Die anderen Jury-Mitglieder haben wohlwollend genickt, und eine ältere Kammersängerin hat zu Marie gesagt, dass sie ihr sehr viel Glück wünscht, weil sie selbst vor fünfunddreißig Jahren unter Eugen Paterne die Carmen gesungen habe und sich nur zu gern an diese nette Zeit erinnere. Marie fragte sofort, was für ein Typ Paterne denn sei, und die alte Dame fragte lächelnd, ob sie den Dirigenten Paterne meine oder den Mann Paterne? Marie errötete, lachte glockenhell und sagte mit einer wegwerfenden Handbewegung, dass sie sich ausschließlich für Paterne als Dirigenten interessiere! Man müsse das Berufliche vom Persönlichen doch trennen können! Die Dame lächelte immer noch und sagte, dass eine wirklich tief empfindende Künstlerin in ihrem Dirigenten auch ihren Meister sehe, und zwar in jeder Hinsicht. Zurlinde hüstelte väterlich und sagte, dass Marie doch mit solcherlei fragwürdigen Thesen verschont bleiben solle, schließlich sei sie eine verheiratete Dame und Mutter noch dazu! Die alte Dame hat sich lächelnd entschuldigt und hat das Thema gewechselt. Während dieser Konversation hat Marie bemerkt, dass Siegmund Sterz aufgestanden und zum Telefon gegangen ist. Ob das eine Bedeutung haben mag? Jedenfalls ist Marie aufgeregt, weil sie nun nichts mehr zum Anziehen hat für das Vorsingen. Das Grüne kenne er ja schon, meinte sie.
Sie ist also zum Einkäufen in die Getreidegasse gegangen und sagte, es könnte länger dauern, weil sie auch noch zum Friseur will. Ich fragte, warum denn das, ihre Frisur sei doch spitze! Keine Ahnung hätte ich, hat Marie verächtlich gesagt. Wenn ihre Frisur spitze wäre, hätte Paterne sie bemerkt. Das habe ich eingesehen. Eine Frau ist immer so schön, wie die Männer sie finden.
In diesem Moment meiner Niederschrift klopfte es bei Marie an die Zimmertür. Ich ging nachschauen, und da stand Clemens Matulka, mit einem Tulpengebinde. Er wollte mich gerade stürmisch umarmen, als er gewahr wurde, dass ich nur ich war und nicht Marie.
»Wo ist Marie?«, war seine Begrüßung, und ich muss sagen, ich fange an, diese Frage zu hassen.
»Beim Friseur«, sagte ich lässig.
»Bei welchem?«, fragte Matulka.
»Weiß nicht, vermutlich bei dem Teuersten«, sagte ich.
»Okay, ich werde sie schon finden«, sagte Matulka und stob mit seinen Tulpen davon. Er wollte sie ihr beim Friseur überreichen, gerade wenn sie unter der Haube saß. Wie romantisch.
Kaum hatte ich mich wieder an mein Tagebuch gesetzt, klingelte Maries Telefon. Marie hatte mich gebeten, grundsätzlich dranzugehen und ihre Anrufe entgegenzunehmen, es könnte ja mal etwas Wichtiges sein.
»Rosenmondt«, sagte eine Stimme. »Ist Marie da?«
»Nein. Sie ist beim Friseur.«
»Aha«, sagte Herr Rosenmondt, »und wann kommt sie wieder?« Ich dachte an Matulka, der jetzt sicherlich alle Friseurläden der Stadt abklapperte und unter alle Trockenhauben schaute, ob er vielleicht Maries Gesicht unter einer von ihnen erspähte.
»Das kann dauern«, sagte ich grausam.
»Welcher Friseur?«, fragte Rosenmondt, weil er sich nicht so abspeisen lassen wollte.
»Der Teuerste«, sagte ich und rieb mir heimlich die Hände, dass nun auch Rosenmondt unter sämtliche Trockenhauben der Stadt lugen würde.
»Kann ich was ausrichten?«, fragte ich noch scheinheilig, aber Rosenmondt hatte bereits den Hörer aufgelegt.
»Die ich rief, die Geister«, sagte ich fröhlich vor mich hin und setzte mein Schreiben fort. Jetzt musste ich am
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