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Karlas Umweg: Roman (German Edition)

Karlas Umweg: Roman (German Edition)

Titel: Karlas Umweg: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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Vorsitzende der Jury?«
    »Ja, ja«, spielte ich die Sache herunter.
    »Aber Himmel, wieso ist der Mann nicht wichtig?«
    »Och«, sagte ich und wippte mit den Fußspitzen. »Darüber möchte ich im Moment nicht sprechen.«
    »Hatten Sie künstlerische Differenzen?«
    »Künstlerische eigentlich nicht.« Paterne schwieg und schüttelte den Kopf. Kann sein, dass er jetzt drauf gekommen ist, dass Marie was mit Zurlinde hatte! Mist. Das wollte ich doch gerade verhindern! Die Haushälterin brachte Sherry. Ich trank zwei Gläser davon hintereinander aus.
    »Frau von Otten, ich möchte Sie bitten, dass Sie mir einige Takte Vorsingen!«
    »Ist klar, mach ich«, sagte ich. »Aber erst trinken wir noch einen!« Ich dachte, dass ich eventuell besser bei Stimme sein würde, wenn ich etwas betrunkener wäre.
    »Kastagnetten fliegen bei euch in der Küchenschublade wahrscheinlich nicht rum?«, wandte ich mich an die Haushälterin. Um Paterne von seinem unguten Vorhaben abzulenken, brachte ich das Thema auf Echtwein. »Mein künstlerischer Begleiter«, lallte ich, »das ist auch kein Mann von Wichtigkeit.«
    »Na und?«, fragte Paterne.
    »Nur damit Sie Bescheid wissen«, sagte ich und goss mir einen weiteren Sherry ein. »Ich bin im Moment ganz frei für Veränderungen!«
    »Sie arbeiten also nicht mehr mit Ihrem Herrn … Begleiter?«
    »Echtwein ist ein Weichei«, sagte ich und unterdrückte einen Schluckauf.
    »Mein Mann spielt dafür sehr gern Tennis«, fuhr ich ungefragt fort. Paterne guckte starr auf mein Gesicht. »Er kriegt zwar keinen Ball übers Netz, aber er hat den gleichen Schläger wie Boris Becker.« Ich trank noch einen Sherry. »Mein Sohn ist ein fetter Brocken und meine Mutter eine hysterische, alte Hexe. Sie war mal im Chor, und sie behauptet, sie hatte mal was mit Ihnen.«
    »Frau von Otten, ich denke, es ist besser, wenn Sie jetzt gehen!«, sagte Paterne und stand auf. Die Haushälterin kam herbeigelaufen. Sie hatte keine Kastagnetten gefunden. Sie schwankte merkwürdig, so als würde sie nicht auf der Erde stehen.
    »Ich kann Ihnen auch gern noch was singen!«, sagte ich, als ich den Nerzmantel um mich schlang. Er war mir viel zu groß.
    »Singen Sie nichts, verschwinden Sie bloß! Und Ihrem Sohn ziehe ich die Ohren lang«, brüllte Paterne und die Haushälterin riss dem Nerzmantel büschelweise Federn aus. Es waren lauter Pfauenfedern, und plötzlich hatte Paterne eine Stimmgabel auf dem Kopf. Ich kippte hastig noch zwei Sherry herunter. Draußen auf dem Kiesweg war kein Rolls-Royce zu sehen. Einige fette Enten watschelten schadenfroh schnatternd den Weg herauf.
    »Engagieren Sie doch eine von denen!«, rief ich schadenfroh. »Sie werden schon sehen, was Sie davon haben!«
    »Sagen Sie Ihrer Mutter, ich werde ihr die Rechnung schicken!«, schrie Paterne und schlug mit einer Peitsche nach den Enten. Die Federn von den Enten und die Federn von meinem Nerzmantel flatterten über den Kiesweg.
    »Keine einzige von diesen dummen Gänsen hat so viel Klasse wie Marie!«, heulte ich. »Hundertfünfzig Liebhaber in einem Jahr! Sie ist die einzige Carmen auf der Welt!«
    Die Haushälterin schrie: »Sie sollten doch die Schnauze halten!«, und plötzlich war es Frau Pfefferkorn. Sie nahm Paterne am Arm und schob ihn ins Haus zurück. Als sie sich noch einmal umdrehte, keifte sie: »Und sagen Sie Marie, wir werden ihr die Rechnung schicken!!« Ich muss sagen, ich war froh, als ich aufwachte. Es war ein scheußlicher Traum.
    Marie geht es besser. Sie kann schon wieder Tee trinken und kichern und ihre Tasse küssen.
    Dr. Vettelhuber war da und auch Dr. Holzapfel, den Marie, kaum dass sie ihrer Sinne wieder mächtig war, in St. Wolfgang am Wolfgangsee angerufen und zur Kontrolle der Vorgehensweise seines österreichischen Kollegen herbeibestellt hat. Ich war zugegebenermaßen wie zerschlagen von der Nacht auf dem Stuhl und bat darum, mich in mein Hinterzimmer zurückziehen zu dürfen. Ich sollte mich jedoch zur Verfügung halten, falls Marie Verwendung für mich hat. Dr. Vettelhuber händigte mir ein Beruhigungsmittel aus, das ich Marie im Notfall geben soll. Das mache ich sehr gerne. Es ist wichtig, dass Marie jetzt Schlaf kriegt. Im Schlaf erholt sich der Körper. Würde Mama jetzt sagen. Und die hat immer Recht.
    Marie hat Eugen Paterne vorgesungen. Ich musste draußen warten, weil Marie ganz allein mit Paterne sein wollte. Das ist verständlich, nach so vielen Jahren. Leider musste aus rein praktischen Gründen ein

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