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Karlas Umweg: Roman (German Edition)

Karlas Umweg: Roman (German Edition)

Titel: Karlas Umweg: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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Gelegenheit.«
    Damit war die Sitzung beendet, der Direktor reichte mir seine schlaffe Hand, die noch feucht von dem aschgrauen Taschentuch war, und wünschte mir einen »segensreichen Entschluss«. Mein Entschluss ist dahingehend segensreich, als dass ich meiner ungeliebten Kollegin Regina niemals dieses Blatt von der Hochschule aushändigen werde, damit sie in dieser hessischen Anstalt des Staubes für immer verschimmelt. Der Direktor sagte, ich möge ihn bitte auf dem Laufenden halten, denn im Falle meines Dahinscheidens müsse er einen anderen Klavierlakaien einarbeiten.
    »Ist klar«, sagte ich. »Ich denke drüber nach.«
    Nun habe ich was zum Grübeln, kaum, dass ich ein Tagebuch besitze. Wenn das kein Zufall ist.
    Regina grübelt weiterhin über Gernot nach und neuerdings darüber, dass sie ihm niemals eine ebenbürtige Partnerin sein könne, wo sie doch der hohen Kunst des Minigolfes nicht mächtig ist. Sie hat lange auf dem Flur mit unserer Flötenlehrerin darüber gesprochen. Ich kam nur zufällig vorbei und schnappte einige Wortfetzen auf.
    »Sie sollten eben auch einen Sport treiben«, sagte die Flöte. »Ja, aber welchen?«, presste Regina in höchster Not hervor.
    »Es wäre wahrscheinlich unklug, wenn Sie auch Minigolf spielen würden«, analysierte die Kollegin nachdenklich. Ich musste dann unterrichten, aber als ich nach einer Stunde wieder aus meinem Zimmer kam, überlegten sie gerade, dass das Tennisspielen ein gesellschaftlich und auch rein vom finanziellen Aspekt her sehr überschätzter Sport sei. Regina heizte die Diskussion noch dahingehend an, dass sie sich in ihrem Beruf als Pianistin keinen Tennisarm oder auch nur etwaige Muskelverzerrungen leisten könne. Sie waren also am Punkt Null angekommen. Ich hatte keine Lust, mich beratend oder auch nur sorgenvoll nickend an dem Gespräch zu beteiligen, und eilte vorbei. Der zusammengeknüllte Zettel von der Hochschule für Schnellentschlossene steckt immer noch in der Gesäßtasche meiner Jeans. Wahrscheinlich wird er noch ein, zwei Vierzig-Grad-Wäschen bei Mama im grauen Reihenhaus überleben, tja, und dann, gute Nacht, Hochschulzettel. An Regina ist ja kein Rankommen.
    In all meiner Teilnahme an Reginas düsterem Schicksal sollte ich mal darüber nachdenken, ob ich Lust habe, selber ein Pianistenschicksal zu durchleiden. Ich stelle mir vor, dass man da täglich viele Stunden in einer kahlen, fensterlosen, übel riechenden Zelle sitzt und die schweren und freudlosen Etüden spielt, die Mozart, Chopin, Beethoven, Schubert und Brahms sich im Wahn, Liebeskummer, Alterstaubheit oder kurz vor dem Selbstmord ausgedacht haben, während die Klavierprofessoren auf dem Flur stehen und rauchen und die Probleme mit ihren Gernots besprechen. Ich weiß ja nicht, ob ich zum Spielball solcher Willkür werden will. Und dann, nach mühevollen Jahren der Fingertechnik, des Schweißes und Vorspielstresses, wer oder was bin ich dann? Karla Umweg, Klavierspielerin aus Bad Orks. Eintritt frei, um angemessene Beiträge beim Verlassen des Saales wird gebeten.
    Ach nein, ich denke, das Selbstverwirklichen überlasse ich anderen. Mir geht es doch hier gut, in Bad Orks. Papa und Mama wohnen in der Nähe, so kann ich ab und zu mal einen guten, würzigen Gemüse-Hackfleisch-Eintopf essen, ich verdiene meine Kröten mit schöner Regelmäßigkeit, sonntags spiele ich manchmal im Kurhaus Mozart, und alltags kann ich ausschlafen, bis die ersten Musikschulkinder aus der Schule kommen. Ich wüsste nicht, warum ich mein Leben ändern sollte.
    Zugegeben, es passiert nicht viel. Zugegeben, ich bin jetzt über zwanzig. Zugegeben, einen zweiten Gernot hat Bad Orks mir nicht zu bieten. Die Jungs aus dem Kurorchester kommen altersmäßig nicht in Frage, die Mitglieder des Minigolfclubs sind mir zu vergeistigt, und die Kollegen von der Musikschule sind entweder verheiratet oder gehören zur Kategorie der Feinrippträger, die man im Kirchenchor trifft. Die ihrem Hund vor dem Betreten der Wohnung mit einer Bürste, die vor der Haustür an einer Schnur befestigt ist, die Pfoten reinigen. Und Mutti für die beste Köchin halten. Sonst gibt es hier keine Männer. Mama sagt, damals nach dem Krieg gab es auch keine, und man könne sich gut an solche Zustände gewöhnen.
    Aber ich brauche ja auch keinen. Wozu denn. Damit ich mich in seelische und körperliche Abhängigkeit begebe, wie Regina? Kommt ja nicht in Frage.
    Nein, nein. Ich gehe nicht in die Großstadt, nur um etwas Fragwürdiges zu

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