Karlas Umweg: Roman (German Edition)
kicherte erfreut in Erinnerung an die Gelegenheiten, die sie Prof. Echtwein und Heyko Zurlinde, dem überlangen Siegmund Sterz und dem Agentenrainer aus Düsseldorf gegeben hatte.
»Wie hast du es denn geschafft, dich mit Zurlinde und dem Agentenrainer in Zürs zu treffen, wo doch Willem dabei war?«
Marie erklärte mir, dass Willem täglich stundenlang Ski gefahren sei, mit einem befreundeten Architekten aus Emmerich. Der sei übrigens auch ein ausgesprochen charmanter und wohlhabender Mann, so um die vierzig und getrennt lebend. Dann sagte sie, dass sie selber nicht Ski fahren könne und auch keinen Spaß daran habe, auf rutschigen Brettern durch die Gegend zu schliddern, ständig hinzufallen und mit kalten Füßen zwischen schniefenden Leuten am Lift Schlange zu stehen. Sie habe sich im Hotel und auf der Sonnenterrasse ausgeruht. Maximilian sei bei der Kindertante im Hotel gut aufgehoben gewesen. Die habe so nett mit ihm gespielt, dass sie wirklich einmal Zeit für sich gehabt habe.
»Aber wenn du zwei Männer zu Besuch hattest, hattest du doch eigentlich keine Zeit für dich!«, konnte ich mir nicht verkneifen. Einer von beiden stand wahrscheinlich so oft im Schrank, dass die Motten schon seine Kleidung angefressen hatten.
»Doch«, sagte Marie. »Sie waren nicht gleichzeitig da. Ein bisschen Organisationstalent gehört schon dazu.« Maximilian hatte nun alle Zwiebacke in den Schlitz gesteckt und schrie nach neuer Kreativanleitung. Da Marie ihn gar nicht beachtete, schlug er auf mich mit meinem eigenen Pantoffel ein.
»Wann kommt eigentlich Frau Krotoschyin zurück?«, brüllte ich.
Marie zuckte die Achseln. »Ich muss mich jetzt fertig machen, ich habe in der Stadt einen Arzttermin. Meine Periode bleibt aus, ich muss was unternehmen. Tschüss, ihr zwei, und räumt die Schweinerei neben dem Herd schön wieder weg!«
Willem ist gestern Abend zu mir heraufgekommen.
»Hast du mal einen Moment Zeit?«
Ich lief vor Anspannung ganz steif in die Küche und holte ihm ein Bier. Mit zitternden Händen stellte ich ihm ein Glas daneben.
»Sie ist in letzter Zeit so aufgekratzt. Im Urlaub war sie total launisch. Mal war sie bester Stimmung, mal lag sie auf dem Bett und heulte, mal wollte sie nicht in den Speisesaal gehen. Meinst du, sie denkt viel an diesen Pianisten?«
»Echtwein?«, fragte ich und lachte Hohn. »An den denkt sie kein bisschen!« Wohl aber an den Direktor und an den Agenten, und der nächste Architekt aus Emmerich steht auch schon auf der Matte, wollte ich sagen, aber ich dachte, das bringt uns jetzt auch nicht weiter.
Willem guckte mich lange an, so richtig Auge in Auge. »Du meinst, sie hat nichts mehr mit … dem Klavierspieler?«
»Nein«, stammelte ich. »Da bin ich sicher. Der ist sowieso in Amerika.«
Wir schwiegen und machten weiter mit der In-die-Augen-Guckerei. Mein Magen zog sich zusammen, meine Pupillen auch, und mein Gaumen vertrocknete wie ein vergessener Vogel im heißen Wüstensand. Ich trank einen Schluck Wein. Nach dem Schluck Wein gefiel mir die Situation noch besser.
Ich musste einen Moment lang den Blick senken, weil ich sonst in Ohnmacht gefallen wäre.
»Du weißt also auch nicht, was mit Marie ist?«
»Sie ist ein Paradiesvogel.«
»Meinst du, dass sie jemand anderen kennengelernt hat?«, fragte Willem in mein Verzücken hinein.
»Ganz bestimmt nicht. Das hätte sie mir erzählt.« Die elende Heuchelröte kroch mir ins Gesicht und biss sich darin fest.
»Du würdest es mir sagen, oder?«
»Klar«, sagte ich. »Sofort!«
»Man muss ein bisschen auf sie aufpassen, sie ist ziemlich labil«, sagte Willem freundlich. »Erst die Sache mit ihrer Mutter, die ihr nicht verraten will, wer ihr Vater ist, und dann das ungeplante Kind von diesem … Mann … und jetzt die Karriere … Sie hatte es nicht immer einfach.«
»Nein«, sagte ich. Mein Herz wollte gar nicht aufhören zu hämmern. Sollte ich es ihm sagen? Übrigens, könnte ich lässig bemerken, falls du es genau wissen willst: Deine Frau betrügt dich pausenlos, und dabei ist sie nicht wählerisch, sie nimmt jeden, der mehr als zwei Sätze an sie richtet, aber wie wär’s denn mit uns beiden? Ich würde dir treu ergeben die Polohemden waschen, mit Feinwaschpulver, damit das Reptil nicht das Gesicht verzieht.
Nein. Ganz ausgeschlossen. Nie würde ich so plump meine Gefühle offenbaren. Mama und Papa haben mir beigebracht, dass ein feines Mädchen seine Gefühle stets für sich behält. Ich muss Willem Zeit lassen,
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