Karlas Umweg: Roman (German Edition)
Lederjacke. Das war alles.
Ich fand es originell und zweckmäßig eingerichtet. Wieso ich nun trotz dieser heimeligen Atmosphäre keinerlei Lust verspürte, mich hier längere Zeit niederzulassen, weiß ich nicht. Matthäus versuchte noch zwei, drei Mal, mich zum Bleiben zu bewegen, indem er mich auf seine Werkzeugkiste im Bett schubste und Maries Paillettenpullover zerdrückte, aber irgendwie war ich trotz all seiner Herzlichkeit nicht in der Stimmung auf körperliche Nähe. Ich weiß auch nicht, warum.
Marie und Willem sind wieder da, endlich! Ohne sie hatte ich kaum noch einen Sinn in meinem Dasein entdecken können. Es bereitete mir tiefe innerliche Befriedigung, ihre Koffer auszupacken, ihre Schneestiefel zu putzen und die schmutzige Wäsche nach Farben und Pflegeleichtigkeit im Wäschekeller zu sortieren. Es ist doch schön, wieder für jemanden sorgen zu können!
Marie erzählte mir mit strahlenden Augen, dass sie in Zürs nicht nur Besuch von Heyko Zurlinde, sondern auch von dem Agentenheini erhalten habe, der mit Vornamen Rainer heiße. Rainer Paulsen aus Düsseldorf. Ich fragte, was dieser Agentenrainer ihr bedeute.
Marie kicherte beglückt. Da sie gerade kein Champagnerglas küssen konnte, küsste sie Maximilian. Danach hatte sie allerdings Kakao im Gesicht. Trotzdem sah sie reizend aus, so braun gebrannt und strahlend und gut erholt. Nachdenklich wischte ich Maximilian mit dem Spüllappen durchs Gesicht und reichte ihn anschließend Marie. Ich dachte an das Lied von Hugo Wolff, das mit »Und wer mich liebt, den lieb ich wieder, denn ich bin geliebt« endet. Das bringt Marie immer am Ende des ersten Teils. Es spiegelt auf verblüffende Weise ihre tatsächliche Einstellung zum Leben. Ganz zu schweigen von dem Carmen-Kram, besonders dem mit der Triangel und den Kastagnetten auf dem Tisch.
»Sag mal, wenn ich dich da mal was fragen darf …«
Maximilian wollte vom Schoß herunter und robbte über den Küchenfußboden.
Marie strich sich den Pulli glatt und nahm sich eine Tasse Kaffee. »Ja?«, munterte sie mich auf. »Frag ruhig!«
»Hm«, sagte ich und sprang auf, um Maximilian das rohe Ei wegzunehmen, das er in den Abfalleimer schmeißen wollte, »ist es eigentlich so, dass du alle Männer, die dich lieben, also, wie soll ich es ausdrücken …« Maximilian hinderte mich am Ausdrücken, weil er schrie und mir das Ei gegen das rechte Auge schlug. Es zerplatzte und rann aus. Das Ei, glücklicherweise, nicht das Auge.
Marie lachte und küsste ihre Kaffeetasse. Ich gab Maximilian statt des Eies ein Auto und ein Stofftier und begann, die Schweinerei auf dem Küchenboden aufzuwischen.
»Ich meine, liebst du sie in dem Moment eigentlich auch oder schmeichelt es dir nur, wenn sie dich lieben?« Maximilian warf das Auto in den Schlitz zwischen Herd und Kühlschrank. Marie schaute versonnen auf die Küchenwand. Dann kicherte sie verschmitzt und senkte den Blick in die Tasse. Ich holte einen Kochlöffel aus der Schublade und versuchte, das Auto aus dem Schlitz zu fischen. Dabei entwand mir Maximilian den Kochlöffel und drosch mir damit an die Schläfe.
»Irgendwie liebe ich jeden Einzelnen von ihnen«, stellte Marie klar.
Ich hielt mir die schmerzende Schläfe und nahm Maximilian den Kochlöffel weg. Er biss mich ins Handgelenk.
»Immer den, der gerade bei mir ist«, ergänzte Marie mit verklärten Augen. Maximilian schlug mir mit dem Kochlöffel ans Knie. Ich konnte ihn ihm abnehmen, jedoch krallte er seine Fingernägel in meinen Unterarm.
»Ich frage deshalb«, sagte ich und versuchte aufzustehen, damit Maximilian mich losließ, »weil ich an mir die Erfahrung gemacht habe, dass mir die Männer gar nicht besonders angenehm sind.« Maximilian nahm das Stofftier und stopfte es ebenfalls in die Lücke zwischen Spülmaschine und Herd. Es gelang mir, mich zu befreien und auf die Füße zu stellen. Mir war ein bisschen schwindelig.
»Du hast bestimmt noch nicht den Richtigen getroffen«, sagte Marie verständnisvoll.
»Doch«, entfuhr es mir, »da gäbe es einen. Einen Einzigen. Alle anderen finde ich ätzend.«
»Und?«, fragte Marie unternehmungslustig. »Will er nicht oder kann er nicht?«
»Er will nicht und er kann nicht«, sagte ich. Maximilian räumte inzwischen den Inhalt einer Zwiebacktüte aus: die Guten ins Kröpfchen, die Schlechten in den Schlitz zwischen Kühlschrank und Herd.
»Alle Männer können, wenn sie wollen«, sagte Marie stolz. »Man muss ihnen nur die Gelegenheit geben!« Sie
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