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Karlebachs Vermaechtnis

Karlebachs Vermaechtnis

Titel: Karlebachs Vermaechtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe von Seltmann
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lautete die unfreundliche Antwort. Ich schloss die Augen und ließ mich wieder in den Sitz fallen.
    »Sie sollten nicht so viel Alkohol trinken«, sagte die Frau, die ihrer Uniform nach eine Stewardess sein musste. »Wir haben schon gedacht, wir bekommen Sie gar nicht mehr wach.«
    »Brauchen Sie einen Arzt?«, fragte eine zweite Stewardess. »Nein danke.« Ich quälte mich aus dem Sitz. Mein Schädel war kurz vor dem Zerplatzen. Die zweite Stewardess nahm meinen Arm und führte mich zur Gangway. Kalter Wind wehte mir einen Regenschauer ins Gesicht. Ich trug nichts außer meinen Jeans und einem T-Shirt. »Wieso bin ich in Frankfurt?«, fragte ich die Stewardess, als sie mir meinen Rucksack überreichte. »Was soll ich hier? Bei der Kälte hole ich mir den Tod!«
    »Seien Sie froh, dass wir Sie überhaupt mitgenommen haben«, antwortete sie. »Und beeilen Sie sich. Der Terminalbus wartet nicht ewig.«
    Ich wankte die Gangway hinab und torkelte in den Bus. Um mich herum wurde getuschelt und gezischt. Ich versuchte, mich zu erinnern. Was war geschehen? Dann fielen mir wieder die Augen zu.
    Wie ich durch die Passkontrolle gekommen war und mein Gepäck abgeholt hatte, wusste ich später nicht mehr. Das Erste, woran ich mich wieder erinnern konnte, war der Geruch von Vanilletabak. Ich lag auf der Rückbank von Helmuts altem Daimler und fror fürchterlich. »Wenn du mich abgeholt hast«, versuchte ich nach meinem Erwachen zu kombinieren, »dann wusstest du, dass ich heute komme.«
    Helmut nickte und schmauchte seine Pfeife. »Also war der Rückflug für heute geplant.«

»Ja. Du hast am Sonntag ein Fax geschickt, dass du genügend Material gesammelt und für heute einen Flug gebucht hättest, um noch rechtzeitig vor der Wahl zurückzukommen. Und heute ist Mittwoch und du bist rechtzeitig hier.«
    »Himmel!«, schrie ich. »Die Fotos!« Ich wühlte in meinem Rucksack und verstreute den Inhalt auf dem Sitz. »Wo sind die Fotos?«
    »Wovon sprichst du? Wolltest du Aktfotos schmuggeln? Von orientalischen Schönheiten?«
    »Die Beweisstücke!« Ich geriet in Panik. »Mit den Fotos hätte ich alles beweisen können. Jetzt sind sie weg!« Ich war den Tränen nahe.
    Helmut steuerte seinen Daimler auf einen Parkplatz und stellte den Motor ab. Ich durchsuchte mein gesamtes Gepäck, aber konnte die Bilder nicht finden. Verzweifelt knallte ich den Kofferraum zu.
    »Jetzt komm erstmal zur Ruhe«, sagte Helmut fürsorglich. »Zieh dir was über und dann machen wir einen Spaziergang.«
    Wir liefen über einen matschigen Feldweg. Der Regen war in ein leichtes Nieseln übergegangen. »Woran kannst du dich als Letztes erinnern?«, fragte Helmut.
    »An Sonne und Wärme. Und an das Rufen des Muezzin.«
    »Das beweist zumindest, dass du wirklich aus Israel kommst. Wo hast du das Ticket gebucht?«
    »Ich vermute in Jerusalem. Dort gibt es ein Büro der El Al.«
    »Von wem hast du diese Fotos erhalten?«
    »Die Fotos? Von Karlebach. Er war in New York, um dort einen alten Freund zu besuchen, den er kurz zuvor in Jerusalem nach langen Jahren wieder gesehen hatte. Sie waren nach dem Krieg Arbeitskollegen in einer New Yorker Import-Export-Firma, bevor sich Karlebach über Nacht selbständig gemacht hatte und durch die halbe Welt gereist ist. Der alte Freund, Joseph Heller, hatte einige Fotos aufbewahrt, die Karlebach zurückgelassen hatte.«
    »Was war auf den Bildern zu sehen?«
    »Dein Tipp war nicht schlecht. Vor allem schöne Frauen. Einige pikante Aktfotos, unter anderem von der Frau des Gauleiters. Der Geiger Ehrlichmann hatte sie gemacht, als er 1936 und 37 in Deutschland war. Er stand auf mollig, große Brüste und breite Hintern. Aber er hatte nicht nur Frauen fotografiert, sondern auch das Judenhaus. Außerdem den Großvater Herschel Karlebach, wie er stolz vor seinem Juweliergeschäft steht, Schlomo Karlebach als kleinen Jungen, Karlebachs Eltern und die Rosenthals vor ihrem Auto. Fotos aus dem Familienalbum. Aber entscheidend sind die Bilder vom Schmuck der Karlebachs. Damit hätte ich beweisen können, dass die Perlenketten, die ich bei Pietschs Frau und bei Simona Zorbas gesehen habe, aus dem Karlebach’schen Juwelierladen stammen.« Helmut blies dicke Wolken aus seiner Pfeife. »Die Perlenketten der Karlebachs«, fuhr ich fort, »waren weltberühmt. Einzelanfertigungen von unschätzbarem Wert. Die Bestellungen gingen aus ganz Europa ein. Und jede dieser Ketten war auf der Rückseite des Verschlusses mit einem Monogramm und einer

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