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Karlebachs Vermaechtnis

Karlebachs Vermaechtnis

Titel: Karlebachs Vermaechtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe von Seltmann
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brachte mir etwas zu essen und ein paar Decken. Abends gab es dann den heftigsten Streit, den Bernhard wohl je mit seiner Frau ausgefochten hat.« Karlebach lächelte. »Die beiden waren herzensgute Menschen.«
    »Aber dann hat sich Bernhards Frau verplappert und Sie wurden entdeckt?«
    »Nein.« Karlebach schüttelte heftig den Kopf. »Wer hat Ihnen das denn erzählt?«
    »Ich habe es im Dorf gehört.«
    »Nein. Das stimmt nicht. Es war sein kleiner Sohn Wilhelm.«
    »Heilig? Heilig hat Sie verraten?«
    »Sie nennen ihn Heilig? Ja, er war es. Wilhelm war ihr einziges Kind. Ein Zweites war kurz nach der Geburt gestorben und seitdem konnte Bernhards Frau keine Kinder mehr bekommen.«
    »Wie hat er Sie verraten?«
    »Was ursprünglich als ein Provisorium für wenige Tage gedacht war, zog sich über Monate hin. Das konnte natürlich vor einem sechsjährigen Knirps auf Dauer nicht geheim gehalten werden. Tagsüber hielt ich mich meist in der Wohnung auf und versuchte, mich nützlich zu machen. Die Nächte verbrachte ich in meinem Verschlag, den wir inzwischen für die Umstände recht bequem ausgestattet hatten. Eines Tages, es war am 13. September, klopfte aufgeregt die Frau des alten Bürgermeisters. Sie habe gehört, dass der kleine Wilhelm in der Schule erzählt habe, in Bernhards Haus lebe ein Jude. Pietsch trommele gerade ein paar Männer zusammen. Ihre Worte, die ich im Nebenzimmer erlauschte, trafen mich mitten ins Herz. Das war das Ende!
    Bernhards Frau steckte mir rasch noch etwas zum Essen und ein bisschen Geld zu, dann rannte ich los. Zum Glück begann gleich hinter dem Haus der Wald. Und es war keine Minute zu früh. Ich habe sie noch anmarschieren hören. Bernhard und seine Frau wurden sofort verhaftet. Aber dank der Fürsprache des alten Frick wurden sie nicht ins Konzentrationslager geschickt. Bernhard, ich sagte es schon, war als hervorragende Fachkraft für die Kriegsproduktion unabkömmlich.
    Aber wo sollte ich nun hin? Zum dritten Mal hatten mir die Nazis mein Zuhause genommen.«
    Karlebach füllte mein Glas. Dann versank er wieder in seinem Sessel. Er wirkte fast zerbrechlich. »Dank meiner guten körperlichen Konstitution konnte ich mich bis zur Schweizer Grenze durchschlagen. Fragen Sie mich nicht wie. Heute kommt mir manches wie ein Traum vor. Ich lernte die Leute zu beobachten, ihr Verhalten, ihre Gebärden, lernte in ihren Gesichtern zu lesen. Und so geriet ich an viele hilfsbereite Menschen, an Bauern, die mich in ihren Scheunen übernachten ließen, an Schaffner, die mich kostenlos mitnahmen, erhielt sogar über viele dunkle Kanäle einen gefälschten Pass. Aber ich lernte auch zu betrügen und zu stehlen. Manches hat mir später bitter Leid getan. Einmal habe ich eine junge Frau … Nein.« Karlebach winkte ab. »Das würde zu weit führen …« Er rieb sich die Augen. »Kurz vor der Schweizer Grenze«, fuhr er fort, »haben sie mich doch noch erwischt. Ich war über vier Monate unterwegs gewesen. Es war an Großvater Karlebachs Todestag, am 30. Januar 1943. Sie zerrten mich aus dem Zug und nahmen mich fest. Ich versuchte noch zu fliehen, aber diesmal verließ mich das Glück. Nach ein paar Tagen wurde ich in einen Güterwagen gepfercht und schließlich in ein Konzentrationslager verfrachtet.«
    »Nach Auschwitz?«
    »Möchten Sie es wirklich wissen?«
    »Ja«, antwortete ich.
    »Unser Transport ging nach Majdanek, in der Nähe von Lublin im besetzten Polen. Als wir ankamen, wurden wir in zwei Gruppen aufgeteilt. Die Alten, Kranken und Schwachen, die Frauen und die Kinder nach links, die Jungen und Gesunden nach rechts. Ich kam in die rechte Gruppe. Das hieß Zwangsarbeit. Aber auch Leben. Nach einer Weile wurden einige von uns vor die Wahl gestellt: Verschärfte Zwangsarbeit oder Sondereinsatzkommando. Was die Männer vom Sondereinsatzkommando erledigen mussten, wusste ich. Sie öffneten die Tore der Gaskammern, um Platz für den nächsten Schub zu schaffen. Sie zogen die Leichen heraus, rissen ihnen die Goldzähne aus dem Mund, untersuchten den Anus oder die Geschlechtsorgane nach verstecktem Geld oder Diamanten und warfen die Toten abschließend in eine Grube. Bitte ersparen Sie mir Einzelheiten. Es war die abscheulichste Arbeit, die man sich vorstellen kann, aber sie versprach die höchste Überlebenschance. Und da ich am Leben hing, meldete ich mich.
    Der zuständige SS-Mann packte mich am Kinn und sah durchdringend in meine Augen. Ich werde diesen Blick nie vergessen. Er drückte so viel

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