Karlsson vom Dach
dem Sofa lag.
«Nimm du dir dies Ding da vor», sagte Fille. «Ich gehe unterdes in die Küche und sehe nach, ob sie silberne Löffel haben.»
Fille verschwand, und Rulle begann die Schubfächer herauszuziehen. Er pfiff leise vor sich hin vor Zufriedenheit. Jetzt hat er bestimmt das Wirtschaftsgeld gefunden, dachte Lillebror, und er wurde immer niedergeschlagener.
Rulle zog die nächste Schublade heraus und pfiff abermals. Denn jetzt hatte er sicher den Ring und die Brosche gefunden.
Aber dann pfiff Rulle nicht mehr. Denn aus dem Schrank kam ein Gespenst geflogen und ließ ein Stöhnen hören. Und als Rulle sich umwandte und das Gespenst erblickte, stieß er einen röchelnden Ton aus, und er ließ das Wirtschaftsgeld und den Ring und die Brosche und alles miteinander fallen. Das Gespenst flatterte um ihn herum und ächzte und seufzte, und plötzlich sauste es in die Küche hinaus. Und eine Sekunde nur, und Fille kam angerannt, schneeweiß im Gesicht, und schrie:
«Spulle, ein Gerenst!»
Er meinte «Rulle, ein Gespenst», aber er war so entsetzt, daß er statt dessen «Spulle, ein Gerenst» sagte. Es war auch kein Wunder, daß er so entsetzt war, denn das Gespenst folgte ihm dicht auf den Fersen und ächzte und seufzte ganz fürchterlich.
Und Rulle und Fille rasten auf die Tür zu, während ihnen das Gespenst fortwährend um die Ohren flatterte, und sie rannten auf den Korridor hinaus und durch die Wohnungstür davon. Aber das Gespenst kam einfach hinterdrein und jagte sie die Treppe hinunter und schrie mit einer hohlen, schrecklichen Gespensterstimme hinter ihnen her:
«Ruhig, nur ruhig! Ich hab’ euch gleich eingeholt, und dann wird’s lustig!»
Aber da wurde das Gespenst der Sache müde und kam ins Wohnzimmer zurück.
Lillebror hatte inzwischen das ganze Wirtschaftsgeld und den Ring und die Brosche aufgehoben und alles in den Sekretär zurückgelegt, und Gunilla und Krister hatten alle silbernen Löffel aufgesammelt, die Fille hatte fallen lassen, als er zwischen der Küche und dem Wohnzimmer hin- und hergerannt war.
«Das beste Gespenst der Welt, das ist Karlsson vom Dach», sagte das Gespenst und legte das Gespensterkostüm ab.
Die Kinder lachten und freuten sich, und Karlsson sagte:
«Nichts kann sich mit einem Gespenst messen, wenn es sich darum handelt, Diebe zu verscheuchen. Wenn die Leute wüßten, wie gut das ist, dann würden sie an jedem Geldschrank in der ganzen Stadt ein kleines, bösartiges Gespenst anbinden.»
Lillebror freute sich so, daß er vor Vergnügen hüpfte, weil Mamas Wirtschaftsgeld und Ring und Brosche und Papas goldene Medaille und alle silbernen Löffel gerettet waren, und er sagte:
«Wenn man bedenkt, wie dumm die Leute sind, daß sie an Gespenster glauben! Es gibt nichts Übernatürliches, hat Papa gesagt.» Er nickte heftig. «Wie dumm die Diebe waren, daß sie glaubten, es wäre ein Gespenst gewesen, was aus dem Schrank kam, und dabei war es überhaupt nichts Übernatürliches, sondern nur Karlsson vom Dach.»
Karlsson zaubert mit dem Hund Ahlberg
Am nächsten Morgen kam eine kleine, schlaftrunkene, strubbelige Gestalt im blaugestreiften Pyjama auf bloßen Füßen zu Mama in die Küche hinausgetappt. Birger und Betty waren in die Schule gegangen und Papa ins Büro. Aber Lillebror brauchte erst etwas später zu gehen, und das war gut, denn er wollte mit seiner Mutter gern ein wenig allein sein in dieser Morgenstunde. Obwohl er ein großer Junge war, der schon in die Schule ging, saß er doch zu gern auf Mamas Schoß, wenn keiner es sah. Man konnte dann so gut reden, und wenn sie noch viel Zeit hatten, nutzten Mama und Lillebror sie aus, um miteinander zu singen und sich gegenseitig Geschichten zu erzählen.
Mama saß am Küchentisch und las die Zeitung und trank ihren Morgenkaffee. Lillebror kletterte schweigend auf ihren Schoß und kuschelte sich in ihre Arme, und sie hielt ihn dort fest, bis er ordentlich wach geworden war.
Dieser Spaziergang gestern abend hatte ein wenig länger gedauert, als beabsichtigt gewesen war, und als Mama und Papa nach Hause kamen, lag Lillebror schon in seinem Bett und schlief. Er hatte sich bloßgestrampelt, und als Mama die Decke um ihn feststopfen wollte, sah sie zwei garstige Löcher in dem Laken, und es war auch so schmutzig, irgend jemand hatte mit Kohle etwas draufgezeichnet. Kein Wunder, daß Lillebror so schnell eingeschlafen war, dachte Mama.
Aber jetzt hatte sie den Sünder auf ihrem Schoß, und sie gedachte, ihn
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