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Karma-Attacke (German Edition)

Karma-Attacke (German Edition)

Titel: Karma-Attacke (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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Viktors Finger gesteckt. Damit er mit beiden Ringen beerdigt werden kann. Das ist ein alter russischer Brauch.»
    Doch diese Notlüge nutzte ihr schon nichts mehr. Marga hatte längst registriert, dass die junge Frau an keinem ihrer braunen Finger eine weiße Stelle hatte, an der ein Ehering gesessen haben könnte.
    «Sie sind verdammt schlecht», sagte Marga, ernsthaft verärgert, weil sie so stümperhaft versuchten, ihr beizukommen. «Sie haben dich hier reingesteckt, um mich auszuhorchen! Sie haben dir diese alberne Geschichte gegeben, damit du dich bei mir einschleimen kannst. Was bist du? Polizistin? Nein, lass mich raten. Du bist eine Psychologin. Glaub mir, ich kenne eine Menge Psychologen. Diesen verlogenen Singsang erkenne ich sofort.»
    Natascha sprang auf, rannte zur Tür und klopfte heftig.
    «Keine Angst, Kindchen, so schlimm ist das ja auch wieder nicht. Ich tu dir nichts.»
    Gudrun May beobachtete die Szene am Monitor und hoffte, dass van Ecken dieses Band nie zu sehen bekam. Wenn er das mit dem Ehering mitkriegt, dachte sie, kann ich mich keinen Tag länger in der Soko halten.
    Van Ecken forderte selbstständiges Handeln von seinen Mitarbeitern. Damit macht er es sich leicht, dachte sie grimmig. Wenn jemand Mist baut, war die Sache nicht mit ihm abgesprochen und er wäscht seine Hände in Unschuld. Kommt was Gutes dabei heraus, macht er sich den Erfolg zu Eigen, spricht von Teamgeist und «seiner Mannschaft».
    Sie würde jetzt selbstständig handeln. Sie hatte einen Plan. Wenn er fehlschlug, würde sie den Kopf dafür hinhalten. Allein. Sie würde van Ecken überraschen. Im Geist stellte sie bereits ein Team zusammen.

67
    Van Ecken empfand alles, was Brigitte Zablonski sagte, als unerträgliches, dummes Geschwätz. Er weigerte sich, auch nur einen ihrer Sätze anzunehmen, und musste doch mit ansehen, wie Staatsanwältin Benthin an Zablonskis Lippen hing. Sogar ihre Müdigkeit schien überwunden, ihr weißes Gesicht zeigte wieder rote Flecken, ihre Augen hatten die alte Lebhaftigkeit zurück.
    So abgehoben Zablonskis Theorien auch sein mochten, van Ecken registrierte genau, dass sie sehr um Standfestigkeit in diesem Raum bemüht war. Ihre Füße standen parallel nebeneinander, ihre Wirbelsäule war durchgedrückt. Sie saß nur auf der Kante des Stuhls. Sie atmete in kurzen, tiefen Zügen ein und langsam beim Sprechen wieder aus.
    Dagegen wirkte Staatsanwältin Benthin wacklig. Nur ihre rechte Hacke berührte den Boden, das linke Bein war über das rechte geschlagen. Die Schultern hingen nach vorn. Sie machte einen runden Katzenrücken, die Hände auf die Knie gestützt, und wippte auf und ab. Mit einem kleinen Stoß hätte man sie ohne weiteres umschubsen können, die Zablonski hingegen wäre einfach in ihre Ausgangsposition zurückgefedert.
    Van Ecken erwischte sich bei dem Versuch, sich genauso hinzusetzen wie Brigitte Zablonski und ihre Atmung nachzumachen. Es gelang ihm nicht wirklich, doch er spürte, wie viel Kraft darin liegen musste.
    Die Reinkarnationstherapeutin hatte von ihren Zweifeln berichtet, davon, dass der Professor immer weiter gewesen war als sie und alle anderen, und sie hatte, ihren eigenen Grundsätzen trotzend, bereitwillig von der Rückführung mit Ackers erzählt.
    «Der Schattenwurf der modernen Wissenschaft ist groß», sagte sie. «Vieles wird davon verdeckt. Was hier im Moment passiert, ist die Walpurgisnacht. Der Hexentanz hat begonnen.»
    Staatsanwältin Benthin nickte andächtig. Van Ecken schrieb es ihrer Müdigkeit zu. Aber sie hatten für diese Dinge keine Zeit. Unwirsch unterbrach er Brigitte Zablonski: «Sie behaupten also, die gesamte moderne Wissenschaft sei reiner Blödsinn, ja? Was Sie uns hier erzählen, bleibt doch weit hinter der Aufklärung zurück! Magische Welten. Fremde Planeten. Wiedergeburten. Du liebe Güte! Wir haben eine Mordserie zu klären!»
    Zablonskis verständnisvoller Ton machte van Ecken schon wütend, bevor sie den Satz zu Ende gesprochen hatte: «Sie empfinden meine Worte als Angriff.»
    Die Gestalttherapeutin hatte auch immer gern seine Worte zusammengefasst und auf ein Gefühl reduziert. Er stöhnte und schaute entnervt zur Decke.
    Unbeirrt fuhr Brigitte Zablonski fort: «Aber ich greife Sie nicht an. Nicht mal Ihr bisheriges Weltbild. Ich füge dem nur etwas hinzu.»
    «Ja, danke», sagte er, «das war’s dann wohl. Wir brauchen Sie nicht mehr.»
    Staatsanwältin Benthin schien anderer Meinung zu sein, brachte aber kein Wort heraus.

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