Karma-Attacke (German Edition)
zur Tür. Marion Benthin verspürte einen Schlag. Etwas an dieser Frau verunsicherte sie restlos.
«Einen Moment noch», bat sie. Trotz der rüden Behandlung lächelte die Zablonski schon wieder. «Können Sie uns einen sachdienlichen Hinweis geben, wo Professor Ullrich oder Vivien Schneider sich jetzt möglicherweise aufhalten? Sie begreifen doch, dass wir sie finden müssen. Unbedingt.»
Brigitte Zablonski wickelte eine Strähne ihres langen Haars um ihren Zeigefinger und ließ sie wieder los. «Ich glaube kaum, dass Sie eine Chance haben. Sie sind immer noch dabei, Buchstaben zu zählen. Sie stecken in einer Sackgasse.»
«Können Sie die beiden finden?»
Die Therapeutin schüttelte den Kopf. «Nein. Aber ich kenne jemanden, der die beiden finden wird.»
«Wer?»
«Kommissar Ackers.»
Van Ecken stöhnte. Ausgerechnet Ackers! Dieser picklige Versager und Spinnkopf, der auf seinen Wunsch hin nicht in die Soko genommen worden war. Durchgeknallte Bullen waren van Ecken ein Gräuel. Wenn jemand einen kühlen Kopf brauchte, dann sie in ihrem Geschäft.
Staatsanwältin Benthin lächelte. «Ach, Sie meinen, weil er die Handynummer von Professor Ullrich hat? Die haben wir inzwischen auch.»
«Nein, das wusste ich gar nicht. Er wird ihn finden, weil es seine Aufgabe ist. Sein Karma, verstehen Sie? Das Schicksal wird ihn hinführen. Vielleicht durch eine Telefonnummer, vielleicht durch etwas, das hinterher Zufall genannt wird. Es ist eine karmische Verstrickung, und sie strebt der Lösung entgegen.»
Van Ecken beschloss, zwei Aspirin zu nehmen. «Dürfen wir jetzt endlich weiterarbeiten?», fragte er.
Brigitte Zablonski nickte ihm und der Staatsanwältin freundlich zu und schloss fast geräuschlos die Tür hinter sich.
Der Blick von Marion Benthin gefiel van Ecken nicht. Es lag etwas Missbilligendes, Vorwurfsvolles darin.
«Sie glauben dieser Eso-Schlampe doch hoffentlich kein Wort?»
«Sie hat wenigstens eine Theorie. Damit ist sie weiter als wir, finden Sie nicht? Außerdem …» Sie verstummte.
«Ja? Was außerdem? Nur raus damit!»
«Außerdem ist nicht zu leugnen, dass Ackers uns die ganze Zeit ein Stückchen voraus ist.»
68
Ackers drückte auf Wahlwiederholung, aber Professor Ullrich hatte sein Handy nicht eingeschaltet. Ackers ließ sich einfach treiben - wie ein vom Baum gefallener Ast im Fluss. Dies Bild ging ihm nicht aus dem Kopf. Über alle Hindernisse hinweg würde der Fluss ihn ins Meer spülen.
Er stand vor dem Kölner Hauptbahnhof, blickte zum Dom und ignorierte den Punker, der mit trübem Blick um einen Euro bat. Ackers genoss es inzwischen, sich Xu zu überlassen. Es war, als sähe er sich dabei von außen. Ein Urzeitwesen, gierig und ohne jede Bindung an diese Zivilisation, schlich, verkleidet wie ein Mensch, durch die Stadt und suchte seinen Todfeind. Und die Frau, die er einmal geliebt hatte.
Schließlich fand er sich ohne Fahrkarte in einem Zug wieder, der in Richtung Schweiz fuhr. Er wusste nicht, wann er aussteigen würde. Er wartete auf den inneren Impuls.
Außer ihm saß niemand in dem Erste-Klasse-Abteil des Intercity. Als der Schaffner ihn fragte, wohin er wolle, schaute Ackers in sein Portemonnaie, zählte sein Geld und fragte: «Wie weit komme ich damit?»
Kopfschüttelnd stellte der Schaffner eine Fahrkarte aus und verließ das Abteil. Während der restlichen Fahrt betrat er diesen Waggon nicht noch einmal. Es war ihm unheimlich zumute. Er fieberte seinem Feierabend entgegen.
Xu versuchte, sich in die Gedanken von Professor Ullrich einzuklinken. Bei jedem Anlauf spürte Ackers den Energieverlust im ganzen Körper. Einmal war es besonders heftig, wie ein elektrischer Schlag. Ackers bebte. Er krallte sich an der Armlehne fest. Der blaue Stoffbezug riss ein. Ackers’ Körper bäumte sich auf, wurde für einen kurzen Augenblick steif und sackte dann kraftlos zusammen. Nun schien das Bewusstsein von Professor Ullrich angezapft, das zumindest glaubte Xu. Er sah einen Berg und einen See. Der Gipfel des Berges verschwand in den Wolken. Da waren Tauben und Enten und eine alte Frau, die sie fütterte. Vivien lag auf dem Bett. Aber sie sah nicht aus wie Vivien. Sie sah aus wie … ein Junge.
Ackers hatte keine Ahnung, ob er dachte oder Xu. Er wusste nicht, wie weit er schon mit der Xu-Inkarnation verschmolzen war. Er war sich nicht mal sicher, ob sein Gehirn ihm einen Streich spielte und einfach schnelle Bildfolgen für ihn zusammensetzte oder ob er sich wirklich in Professor
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