Karma-Attacke (German Edition)
Ruhe.»
«Niemand hätte dann Ruhe, Vivien. Du weißt genau, was er vorhat. Er wird dich nicht einfach töten.»
Ängstlich starrte sie ihn an. «Ja», rief sie, «ich weiß! Er will seine Brut in mich pflanzen, das ist es! Ich bin nur eine Art Transportmittel, das er benutzt!»
Sie warf die Nachttischlampe nach dem Professor. Die Schnur spannte sich in der Luft, mit einem Ploppen flog der Stecker aus der Wand. Statt den Professor zu treffen, krachte die Lampe vor ihm auf den Tisch, genau neben das Weinglas.
«Es reicht, Vivien! Hör auf. Wenn du hier randalierst, werden sie auf uns aufmerksam. Wir haben nur eine Chance zu überleben. Er darf uns nicht finden, so lange wir ihn nicht kennen.»
70
Ackers hatte eine gute Nachricht für Xu. Sein Verstand meldete sich geradezu stolz zurück. Er begann wieder, mit Xu zu verhandeln, denn jetzt hatte er einen Trumpf: Du hast das Wissen von Thara. Aber ich habe das eines Erdenbürgers. Und wir sind nicht so dumm, wie du glaubst. Ich weiß, was das für ein Berg ist. Ich glaube es zumindest.
Xu herrschte ihn an, er solle die Information sofort freigeben. Ob er immer noch nicht begriffen habe, worum es gehe. Wir sind nicht zwei Personen. Wir sind eine!
Nein!, schrie Ackers. Wir sind zwei in einem Körper. Ich bin Kommissar Joachim Ackers. Geboren am 4. 10. 51 in Köln. Vielleicht war ich früher mal Maria oder auch der Hillruc-Fürst Xu. Aber jetzt bin ich Kommissar Ackers.
Du warst Kommissar, erinnerte ihn Xu. Wenn sie dich kriegen, stecken sie dich in die Psychiatrie. Da kannst du dich dann mit Vivien unterhalten. Und mit Dana. Darüber, wie schön es war auf Thara. In Freiheit.
Ackers gab nach. Ich glaube, es ist der Pilatus. Am Vierwaldstätter See.
Xu lachte triumphierend: Ich wusste, dass er mit ihr in die Alpen flieht. Die Schneeberge. Wohin sonst?
Bitte, Xu. Ich will jetzt nicht mehr in seine Gedanken eindringen. Es macht mich fertig. Ich kann nicht mehr. Gib mir eine Ruhepause. Ich muss etwas essen.
Xu hatte nichts dagegen. Wie wär’s mit dieser Schnepfe in dem grauen Kostüm? Du könntest sie auf die Toilette zerren und ihr Herz genießen.
Xu mochte es, Ackers zu erschrecken. Ackers hörte ihn in sich lachen. Es war wie ein Erdbeben. Dann spottete Xu: Oder möchtest du lieber in den Speisewagen gehen und dir ein Stückchen von einem toten Schwein bestellen, einem Rind, einem Huhn oder was ihr sonst noch domestiziert, züchtet und tötet, weil ihr keine Jäger mehr seid, sondern brave, vertrottelte Menschenfreunde.
Ackers stand auf und ging mit wackligen Knien in den Speisewagen. Zweimal wäre er in dem ruckelnden Zug beinahe gestürzt, deshalb stützte er sich an den Fenstern ab.
Der Speisewagen war rappelvoll. Ackers setzte sich auf den einzigen freien Platz, gegenüber der Dame im grauen Kostüm. Er fragte sie nicht, ob er sich setzen dürfe. Er tat es einfach und nickte ihr zu. Er blätterte in der Speisekarte, begriff aber nicht, was dort stand, so als hätte er das Lesen verlernt.
Die Frau an seinem Tisch galt eigentlich als coole Managerin. Mindestens ein Dutzend Männer fürchteten ihre Launen und ihre Wut. Doch die Anwesenheit von Ackers ließ sie panisch werden. Vor ihr stand noch der Teller mit dem Hawaiisteak, sie hatte erst drei kleine Stückchen davon abgeschnipselt.
Um aufzustehen, musste sie sich auf dem Tisch abstützen. Sie versuchte, Ackers nicht anzusehen. Während sie zur Kasse ging, um zu zahlen, fragte Ackers sich nur kurz, warum um alles in der Welt sie verschwand, dann nahm er das Steak von ihrem Teller, schüttelte die Scheibe Ananas herunter, verschlang das Fleisch in Sekundenschnelle, leckte sich die fettigen Finger ab und schaute sich um. Kommissar Ackers hätte sich vielleicht geniert, Xu war es vollkommen egal, ob jemand ihn beobachtet hatte. Kommissar Ackers fand, dass das Steak gut schmeckte; er wollte sich genau das gleiche bestellen. Xu bekam mit, wie viele Hormone und Gifte in dem Fleisch waren. Nichts wild Aufgewachsenes schmeckte so. Die Muskeln waren nicht trainiert, sondern vom Fett der Trägheit durchzogen.
Ackers winkte dem Kellner, orderte ein Bier und ein Steak. Xu konnte es nicht lassen und fragte noch einmal, ob sie nicht zum Nachtisch das Herz der grauen Dame probieren sollten. Ackers rief dem Kellner nach: «Und einen Klaren, bitte! Einen doppelten!»
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Edgar Höss hatte eigentlich Schauspieler werden wollen. Genauer gesagt, Balletttänzer. Aber diesen Wunsch zu äußern hatte er sich nicht
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