Karma-Attacke (German Edition)
Gefühl, konnte der Professor nicht zuschlagen.
«Ich weiß, es ist Quatsch, aber ich musste das Messer einfach kaufen. Es lag da, als hätte es … auf mich gewartet.»
Das verunsicherte Ullrich. Eine Ahnung machte sich in ihm breit. Er wich von dem alten Grundsatz der Hillruc-Fürsten ab; sein Blick fokussierte nicht länger den Gegner, sondern schweifte zu etwas Wichtigerem. So, wie Vivien den Dolch hielt, erkannte auch er ihn sofort.
«Ja», sagte Vivien mit fester Stimme, «genau so war es, Josch. Er hat dort auf dich gewartet.»
Ihr Angriff kam mit einer Heftigkeit, die den Professor umwarf. Sie umklammerte den Perlmuttschaft mit beiden Händen und rannte einfach in seinen Leib hinein. Er kippte rücklings in den Schnee, die Axt fiel ihm aus der Hand. Schon saß Vivien auf seiner Brust und drückte die Dolchspitze gegen seinen Hals. Sein Kehlkopf bewegte sich wie eine Maus, die versucht, vor der Katze zu fliehen.
«Du bist Toi!», krächzte Vivien. «Du hast mich die ganze Zeit gefangen gehalten. Jetzt wirst du mich endlich in Ruhe lassen. Du hast meine Mutter umgebracht, um mich zu kriegen, und dann Rottmann, weil du Angst hattest, dass er mich dir wegnimmt.»
«Ja!» Er brüllte es stolz heraus. «Ja, und all die anderen, die versucht haben, sich zwischen uns zu stellen! Du gehörst mir, Uta, begreif das endlich! Lin, du bist meine Frau!»
Die Bilder verwischten in Viviens Wahrnehmung. Sie konnte zwischen Tois Gesicht und dem des Professors überhaupt nicht mehr unterscheiden. Überdeutlich sah sie die kleinen Hillrucs aus dem aufgeplatzten Frauenleib krauchen und herumkriechen.
Mit der Rechten ertastete Ullrich den Schaft der Axt. Er wollte mit der flachen Seite zuschlagen; Vivien sollte am Leben bleiben.
Tom ließ sich mit seinem ganzen Gewicht auf Ullrichs rechten Arm fallen und drückte ihn samt Beil in den Schnee.
Vivien schaute ihn an. «Gut, dass du da bist, Josch. Fast hätte er mich gehabt.»
Ihre Worte waren für Tom wie eine wohltuende Medizin. Er fühlte sich gestärkt, warm, weich und durchlässig. Und er konnte wieder hart zupacken.
«Warum?», fragte Vivien kopfschüttelnd. «Warum?» Sie sah zu, wie Toi und der Professor miteinander um die Herrschaft rangen, bis sich Ullrichs Gesicht veränderte. Die Lippen bebten. Er wurde weinerlich.
«Was sollte ich denn machen?», stammelte er. «Ich wäre so gern Josch gewesen und war doch immer nur Toi. Ich habe versucht, den Toi in mir zu bekämpfen, aber man kann nicht sein, was man nicht ist. Glaub mir, ich habe versucht, es zu werden. Es war doch auch gut zwischen uns, eine Weile. Ich habe dich doch wirklich beschützt. Toi hat sich geändert. Geblieben ist nur die Liebe zu dir, zu Lin, zu Uta. Glaub mir, die negative Kraft ist transformiert ins Positive. Toi ist ein anderer geworden. Toi ist gut. Gegen seine alten Feinde musste er noch kämpfen, aber dir wird er nichts tun. Uta! Lin! Du wirst mich doch nicht töten?!»
«Doch», sagte Vivien, «das werde ich.» Sie drückte den Dolch fester gegen seinen Hals, sodass die Klinge eine Blutspur hinterließ. «Du wirst mich nicht länger belügen und du wirst mich nicht mehr beherrschen. Ich hab viel von dir gelernt, Professor. Man muss versuchen…» Sie zitierte ihn. Es klang wie auswendig gelernt, doch es war ihr inzwischen in Fleisch und Blut übergegangen. « … man muss versuchen herauszufinden, wer man ist, um es dann zu sein.»
Er schloss die Augen, reckte den Hals und wandte gegen den Druck des Messers das Gesicht ab. Lächelnd erwartete er den Todesstich. Und dann gewann Toi endgültig die Herrschaft über ihn. Er klinkte den Kiefer aus und verhöhnte sie. «Na los», rief er lachend, «ich sterbe nicht zum ersten Mal!»
Vivien holte tief Luft. Sie wollte ihm die Kehle durchschneiden, doch sie spürte, dass sie es nicht konnte
Sie ließ ihn einfach liegen, stand auf und hielt Tom die Hand hin. Nicht mehr imstande, Widerstand zu leisten, folgte er ihr. Sie nahmen einander in den Arm und wussten beide nicht, wer wen festhielt. Sie hinderten sich gegenseitig daran umzufallen. So aufeinander gestützt, stiegen sie langsam hintereinander ins Tal.
Unausgesprochen war klar, dass sie eine gemeinsame Zukunft haben würden. Nach dem, was sie erlebt hatten, würden sie sich nicht mehr trennen. Nie mehr.
Da senkte sich ein großer Schatten über sie. Toi schwang das Beil. Der hechelnde Atem verriet, wo er stand, der Schatten, was er tat.
Die beiden wirbelten herum. Vivien bohrte Toi
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