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Karneval der Alligatoren

Karneval der Alligatoren

Titel: Karneval der Alligatoren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James G. Ballard
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Alabasterechse, und Kerans hatte das Gefühl, er bringe eine
Botschaft Strangmans.
    Kerans sah zu Strangman auf, der im
weißen Anzug am Bug des Schiffes stand und aufmerksam beobachtete, wie das
Krokodil gegen das Gitter stieß und schlug – der Negerriese fiel dabei beinahe
von seinem Balken. Strangmans Sympathien lagen ganz offensichtlich bei dem
Reptil, was aber weder mit Sportsgeist zusammenhing, noch mit dem sadistischen
Wunsch, einen seiner wichtigsten Offiziere aufgespießt und tot zu sehen.
    Unter großem Geschrei und Gefluche
überreichte man schließlich Cäsar ein Gewehr, er suchte festeren Halt und schoß
dann dem Krokodil zwei Ladungen in den Bauch. Mit Schmerzensgebrüll tauchte es
ins Seichte zurück, sein Schwanz peitschte das Wasser hoch auf.
    Beatrice und Kerans sahen weg, sie
warteten auf den Gnadenschuß; Strangman drängte nach vorne, er wollte das
Schauspiel besser genießen.
    »Wenn sie in die Enge getrieben oder
getötet werden, schlagen sie aufs Wasser, das warnt die anderen.« Er legte
Beatrice den Finger an die Wange, als wollte er sie zwingen, zuzusehen.
»Schauen Sie doch nicht so empört, Kerans! Haben Sie doch mehr Mitgefühl mit
dem Tier. Die Biester existieren seit hundert Millionen Jahren, sie gehören zu
den ältesten Tieren auf unserem Planeten.«
    Nachdem man das Tier weggeschafft
hatte, stand Strangman immer noch freudig erregt an der Reling, er wippte auf
und ab, als hoffte er, das Tier werde sich wieder erholen und zurückkehren.
Erst als man den abgeschlagenen Kopf auf einem Bootshaken hochhielt, wandte er
sich der Taucherei zu. Sein Gesicht zuckte irritiert.
    Unter Aufsicht des Admirals tauchten
zwei von der Mannschaft in Aqualungen. Sie kletterten über die metallene Leiter
ins Wasser, glitten auf das geneigte Kuppeldach zu, untersuchten die Oberlichte,
dann die halbkreisförmigen Rippen des Gebäudes und zogen sich von Riß zu Riß
über das Dach. Nach ihrer Rückkehr stieg ein dritter hinunter, diesmal im
Taucheranzug und an der Leine. Er stapfte langsam über den wolkigen Boden der
Straße, Helm und Schultern reflektierten schwach das Licht. Als die Leine zu
Ende ging, betrat er das Gebäude und verschwand – jetzt stand er nur noch in
Telefonverbindung mit dem Admiral, der seinen Kommentar lauthals mit melodiöser
Stimme weitergab: »In der Kasse – jetzt in der Vorhalle – er sagt, alle Stühle
in der Kirche, Käptn Strang', aber kein Altar mehr.«
    Alle beugten sich über die Reling und
warteten auf Jomos Rückkehr, nur Strangman lehnte mißmutig in seinem Stuhl, das
Gesicht in eine Hand gestützt.
    »Kirche!« schnaufte er verächtlich.
»Du lieber Himmel! Schick einen anderen runter, Jomo ist ein Trottel.«
    »Ja, Käptn.«
    Weitere Taucher stiegen ab, der
Steward brachte die erste Runde Champagnercocktails. Kerans wollte später auch
tauchen und nippte nur leicht an dem starken Getränk.
    Beatrice sah ihn aufmerksam an und
berührte seinen Ellenbogen. »Gehst du nach unten?«
    Er lächelte. »Ja, in den Keller.
Keine Angst, ich nehme den großen Anzug, da kann nichts passieren.«
    »Daran dachte ich gar nicht.« Sie sah
zur Sonne auf, die sich immer weiter auszudehnen schien und alle Dächer hinter
ihnen überstrahlte. Die Farnwedel reflektierten olivgrünes Licht auf die
Wasserfläche, es sah aus, als schwebe gelblicher Sumpfbrodem über dem kleinen
See, wie Dampf über einem Kessel. Noch vor wenigen Minuten hatte das Wasser
kühl und einladend gewirkt, jetzt war es fremd und abweisend, Barriere zwischen
zwei Welten.
    Der Tauchkäfig wurde herausgeschwenkt
und ins Wasser gesenkt, seine roten Stangen schimmerten, die Konturen
verschwammen und ließen die Struktur des Gestells verzerrt erscheinen. Auch die
Männer unten sahen verzerrt aus, verwandelten sich in glitzernde Shimären, die
auf und ab flitzen wie vom eigenen Pulsschlag gejagte Traumgestalten des
Dschungels.
    Tief unten war noch die riesige Kuppel
des Planetariums zu erkennen, gelblich schimmerte sie durch die Wellen, sie kam
Kerans vor wie ein kosmisches Raumfahrzeug, das vor Jahren auf der Erde
gestrandet und jetzt vom Meer freigegeben worden war. Er lehnte sich hinter
Beatrice über das Geländer und sagte zu Bodkin: »Alan, Strangman sucht den
Schatz, den Sie da unten versteckt haben.«
    Bodkin lächelte flüchtig.
»Hoffentlich findet er ihn. Eine ganze Welt des Unbewußten erwartet ihn, wenn
er den Weg findet.«
    Strangman stand am Bug des Schiffes,
und er befragte einen wiederaufgetauchten

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