Karneval der Alligatoren
schmale Leiter zum Wasser hinunter. Es war
kurz nach acht, die Sonne schien direkt auf das weiche Kunststoffzeug, das ihm
an Brust und Beinen klebte. Er freute sich schon auf die Abkühlung. Das Wasser war
jetzt ganz undurchsichtig geworden. Blätter und Algen schwammen in Klumpen an
der Oberfläche, ab und zu stieg eine Luftblase von der Kuppel auf.
Beatrice und Bodkin standen rechts an
der Reling, das Kinn aufgestützt auf der obersten Stange und sahen ihm aufmerksam
zu. Genau über sich erkannte er die hagere Gestalt Strangmans; die Jackenschöße
hatte er nach hinten geschoben, die Hände in die Hüften gestützt, der Wind
spielte in seinem kalkweißen Haar. Er grinste vor sich hin; als Kerans Füße das
Wasser berührten, brüllte er etwas. Das Zischen der Luft in den Ventilen
verstärkte sich gleich darauf, das Mikrophon wurde eingeschaltet.
Das Wasser war unangenehmer, als er
erwartet hatte; statt in ein kühles, belebendes Bad kam er in warmen, klebrigen
Gelee, der seine Beine umklammerte wie ein schmieriges Protozoen-Ungeheuer. Er
legte sich flach, nahm die Füße von den Sprossen und ließ sich durch sein
Körpergewicht langsam in die grünliche Tiefe gleiten; mit den Händen griff er
die Stange entlang nach unten, bei der Zwei-Klafter-Markierung hielt er ein.
Hier war das Wasser kühler, er machte
mit Armen und Beinen Lockerungsbewegungen, während er die Augen an das blasse
Licht gewöhnte. Ein paar Fische schwammen vorbei, ihre Körper glänzten wie
Silbersterne in dem blauen Schleier, der sich bis etwa eineinhalb Meter unter
der Oberfläche erstreckte, ein ›Himmel‹, der in Millionen Staub- und
Pollenteilchen das Licht reflektierte. Knapp fünfzehn Meter entfernt von ihm
erhob sich der gebogene Rumpf des Planetariums, viel größer und
geheimnisvoller, als er von oben ausgesehen hatte, wie das Heck eines alten,
längst versunkenen Dampfers. Das ehemals glänzende Aluminiumdach war matt und
fleckig, Mollusken und Muscheln klebten an den schmalen Gewölberippen. Weiter
unten schwankte ein Wald riesiger Algen, manche Blätter waren über drei Meter
lang, wunderbar anzusehende Girlanden, die wie Geister über einer Neptunsgrotte
zitternd schwebten. Etwa sechs Meter über dem Boden hörte die Leiter auf, doch
Kerans fühlte sich jetzt im Wasser ganz zu Hause. Als seine Fingerspitzen am
Ende der Leiter waren, stieß er sich nach unten ab. Nur die Luftschläuche und
das Telefonkabel verbanden ihn jetzt mit der Welt des Lichtes draußen. Weit
oben sah er den silbrig glänzenden Boden des Schiffes.
Außer dem Geräusch der Luftpumpe und
dem seiner eigenen Atmung hörte er jetzt nichts mehr. Je höher der Luftdruck
stieg, um so stärker wurde der Atem hörbar. Die Töne schienen in dem dunklen,
olivgrünen Wasser zu dröhnen, sie kamen stoßweise wie der Gezeitenpuls, den er
in seinen Träumen hörte.
Aus den Kopfhörern knarrte eine
Stimme. »Hier Strangman. Wie ist's auf der süßen grauen Mutter Erde?«
»Recht heimatlich. Ich bin schon fast
unten. Der Tauchkäfig ist drüben am Eingang.«
Er versank bis an die Knie im weichen
Boden und hielt sich an einem muschelbesetzten Laternenpfahl fest. Mit
entspannten, graziösen Bewegungen durchmaß er den Schlamm, der unter seinen
Füßen aufwirbelte wie Wolken von Gas. Rechts sah er die Gebäude gegenüber dem
Institut, der Schlamm in weichen Dünen bis zu den ersten Stockwerken
aufgetürmt. Zwischen den Häusern waren die Hügel beinahe sechs Meter hoch, die
Sperrgitter staken wie riesige Fallgitter dazwischen. Die meisten
Fensternischen waren mit Schutt angefüllt, Möbelstücke, Metallschränke und
Bretter waren durch dicke Schichten von Algen und Kopffüßlern miteinander
verklebt.
Der Tauchkäfig schwang langsam an
seinem Kabel hin und her, etwa eineinhalb Meter über der Straße. An seinem
Boden waren Schraubenschlüssel und Sägen befestigt. Kerans steuerte auf die Tür
des Planetariums zu, die Verbindungskabel zog er sorgsam hinter sich her, und
wenn er ein Hindernis verspürte, stieß er sich leicht vom Boden ab.
Das Institut stand jetzt wie ein
riesiger Unterwassertempel vor ihm; das bewegte Wasser an der Seeoberfläche
ließ es hell aufleuchten. Die Stahlbarrikaden vor dem Eingang waren schon von
Tauchern abmontiert worden, der Halbkreisbogen der Türen ins Foyer lag frei.
Kerans schaltete seine Kopflampe an und ging hinein, sah hinter alle Säulen und
in die Nischen und ging dann über die Treppe in den Zwischenstock hinauf. Die
metallenen
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