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Karneval der Alligatoren

Karneval der Alligatoren

Titel: Karneval der Alligatoren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James G. Ballard
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Geländer und verchromten Wandtafeln waren verrostet, das Innere des
Planetariums, das durch die Barrikaden von Pflanzen- und Tierleben der Lagune
abgetrennt gewesen war, wirkte jedoch ganz unberührt, so sauber und unbefleckt
wie an dem Tag, da die letzten Deiche brachen.
    Hinter dem Kartenschalter ging es zu
den Waschräumen und über einen kreisrund verlaufenden Korridor ins Auditorium.
In der vagen Hoffnung darauf, daß man die Deiche würde reparieren können, hatte
die Direktion des Planetariums innen einen zweiten Barrikadenring anbringen und
mit versperrten Schließgittern befestigen lassen. Diese Gitter waren so
verrostet, daß man sie nicht vom Fleck bewegen konnte.
    Ganz rechts oben am zweiten Gitter
gab es einen kleinen Ausguck ins Auditorium. Kerans war zu müde vom Druck des
Wassers auf Brust und Bauch, um sich mit dem schweren Tauchanzug hochzuangeln,
er begnügte sich mit dem Ausblick auf ein paar Lichtflecke an brüchigen
Dachstellen. Als er eine Säge aus dem Tauchkäfig holen ging, fiel ihm ein
kleiner Eingang über einer kurzen Treppe hinter der Kasse auf; dort ging es
offensichtlich zu einem Raum über dem Auditorium, entweder dem Vorführraum oder
einem Direktionszimmer. Er zog sich am Geländer hoch, die metallenen Klampen
seiner beschwerten Stiefel rutschten über den glitschigen Teppich. Die Tür war
versperrt, aber er drückte mit der Schulter dagegen, und die Angeln gaben
sofort nach – grazil schwebend glitt die Tür über den Boden wie ein Papiersegel
im Wind.
    Kerans blieb stehen und brachte seine
Kabel in Ordnung – immer noch hörte er das Pumpgeräusch. Der Rhythmus hatte
sich deutlich geändert, offenbar waren andere Männer am Werk. Sie machten
langsamer, wußten wohl mit der Technik noch nicht Bescheid. Kerans empfand
leichte Beunruhigung. Strangmans Boshaftigkeit und Unberechenbarkeit waren ihm
bewußt, aber er war überzeugt, daß er ihn nicht auf eine so grobe Art umbringen
würde, indem er einfach die Luftzufuhr abschnitt. Beatrice und Bodkin waren ja
dabei; Riggs und seine Leute befanden sich zwar über tausend Kilometer weit
weg, aber es konnte gut sein, daß einmal irgendwelche Spezialisten
vorübergehend zu den Lagunen geschickt wurden. Wenn er nicht Beatrice und
Bodkin ebenfalls tötete – was aus verschiedenen Gründen unwahrscheinlich schien
(er vermutete offenbar, daß sie mehr über die Stadt wußten, als sie zugaben) –,
so würde ihm sein Tod mehr Ungelegenheiten bereiten, als die Sache wert war.
    Die Luft kam beruhigend gleichmäßig
durch; Kerans bewegte sich in dem leeren Raum nach vorne. An einer Wand hingen
einige Regale, in einer Ecke stand ein riesiger Aktenschrank. Plötzlich sah er
zu seinem Entsetzen einen Mann in einem riesig aufgeblasenen Raumanzug vor
sich, keine drei Meter entfernt, von seinem froschartigen Kopf stiegen Blasen
auf, die Hände waren wie drohend erhoben, vom Helm ging strahlender Glanz aus.
    »Strangman«, rief er unwillkürlich.
    »Kerans, was ist los?« hörte er
Strangmans Stimme, näher als das Geflüster seines eigenen Bewußtseins seine
Panik durchbrechen. »Kerans, sind Sie verrückt?«
    »Tut mir leid.« Kerans riß sich
zusammen und ging langsam auf die sich nähernde Gestalt zu. »Ich habe mich eben
selbst im Spiegel gesehen. Ich bin vermutlich in einem Direktionszimmer oder
einem Kontrollraum. Vom Mezzanin führt eine eigene Treppe hinauf, vielleicht
gibt es auch einen Ausgang ins Auditorium.«
    »Wunderbar; schauen Sie mal, ob Sie
den Safe entdecken. Er sollte hinter dem Bild über dem Schreibtisch sein.«
    Kerans hörte gar nicht zu, er legte
seine Hände auf den Glashelm und schob ihn energisch von links nach rechts. Er
befand sich im Kontrollraum über dem Auditorium, vor ihm stand ein Schrank, in
dem sich einstmals Schalthebel befunden hatten. Jetzt war alles weg, der Klappstuhl
des Vorführers stand im Leeren wie der isolierte Thron eines vor Ansteckung
sich fürchtenden Potentaten. Kerans fühlte sich so mitgenommen vom ständigen
Druck, daß er sich hinsetzte und gedankenlos ins Auditorium hinunterstarrte.
    Mit Hilfe der kleinen Helmlampe
konnte er bis weit hinauf das dunkle Gewölbe und die sandverkrusteten Wände
sehen. Es sah aus, als hänge das Wasser in schweren Vorhängen vor dem Podium,
es schien das Allerheiligste des Raumes vom Zuschauerraum zu trennen.
    Kerans wußte nicht mehr, ob das
stoßweise Dröhnen in seinen Ohren nicht ein unterbewußtes Requiem aus seinen
Träumen war. Er öffnete die kleine

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