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Karneval der Alligatoren

Karneval der Alligatoren

Titel: Karneval der Alligatoren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James G. Ballard
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Hoffnung, seinen Leuten ihre unbewußte Furcht vor Kerans endgültig
auszutreiben – ihre Angst vor dem väterlichen Meeresherrn, den er jetzt
verkörperte. Bald war der Platz voll mit lärmenden, stolpernden Gestalten, die
Krüge und Flaschen nach hinten kippten und auf den Trommeln Stepptänze
vollführten. Strangman und der Admiral zogen von einer Gruppe zur anderen,
stachelten zu immer neuen Exzessen auf. Cäsar zog sich wieder den Alligatorkopf
über und rutschte auf Knien über den Platz, tobende Trommler zogen hinterdrein.
    Kerans wartete müde auf den
Höhepunkt. Auf Strangmans Befehl wurde der Thron gehoben und auf dem Wagen
befestigt. Kerans lehnte matt an der Kopfstütze, während Cäsar Knochen und
Algen um seine Füße häufte, sah er zu den dunklen Gebäuden auf. Nach einem
Anfeuerungsschrei Strangmans setzte sich die dunkle Prozession in Bewegung –
ein Dutzend Männer rauften sich zwischen den Deichselstangen, sie warfen den
Wagen hin und her, rasten damit quer über den Platz und stießen zwei Statuen
um. Trotz der aufgeregten Befehle Strangmans und des Admirals, die neben den
Rädern einherrasten und das Ärgste zu verhüten suchten, wurde der Wagen immer
schneller, karriolte in eine Nebenstraße, schleuderte und prallte an einen
rostigen Laternenpfahl. Cäsar hämmerte auf die wolligen Köpfe der Männer,
bahnte sich den Weg nach vorne, packte die Deichselschäfte mit beiden Händen
und verlangsamte so die Fahrt des Karrens.
    Hoch oben saß Kerans in seinem
wackligen Thron; die frischere Luft belebte ihn langsam. Ganz klar war ihm
nicht, was da unten vorging, er bemerkte nur, daß sie mit dem Wagen in jede
Straße fuhren, als hätten sie tatsächlich Neptun persönlich entführt und
wollten ihn zwingen, die Teile der Stadt zu segnen, die ihr Strangman entrissen
und trockengelegt hatte.
    Nach und nach wurden die Burschen aus
Erschöpfung ruhiger, sie marschierten im Gleichschritt und sangen ein Lied, das
wie eine alte Lastträgermelodie aus Haiti klang. Auch dieser Gesang zeigte
deutlich, was Kerans für sie bedeutete. Strangman wollte den ursprünglichen Zweck
der Fahrt wieder in den Vordergrund bringen, er fing zu schreien an, schwang
seine Leuchtpistole und ließ dann den Wagen in umgekehrter Richtung fahren, so
daß die Leute schieben mußten, statt zu ziehen. Beim Planetarium sprang Cäsar
auf, hielt sich am Thron fest – er sah dabei aus wie ein riesiger Affe –, hob
den Krokodilskopf hoch und preßte ihn Kerans bis auf die Schultern.
    Geblendet und von dem fauligen
Gestank fast betäubt, spürte Kerans undeutlich, wie er bei der wieder schneller
werdenden Fahrt hin und her geworfen wurde. Die Männer hinter dem Wagen, die ja
nicht sahen, wohin es ging, rasten einfach dahin, Strangman und dem Admiral
nach; Cäsar verfolgte sie mit Schlägen und Püffen. Der Wagen war fast nicht
mehr zu dirigieren, er schlingerte, bockte, zerbarst fast an einer
Verkehrsinsel, stellte sich wieder aufrecht und wurde auf einem geraden Stück
noch schneller als zuvor. An der Ecke rief Strangman Cäsar etwas zu, der
riesige Mulatte warf sich, ohne zu schauen, mit seinem ganzen Gewicht auf die rechte
Deichsel, und schon war der Karren auf dem Gehsteig. Fünfzig Meter fuhr er noch
weiter, ohne daß man ihn aufhalten oder lenken konnte, die Leute stolperten
sich gegenseitig über die Beine und fielen zu Boden, und schließlich krachte
der Karren gegen die Wand, die Achse verbog sich, das Holz splitterte – das
ganze Gefährt samt Aufbau neigte sich zur Seite.
    Der Thron flog in hohem Bogen über
die Straße, mitten in eine Schlammbank. Kerans kam mit dem Gesicht nach unten
zu liegen, zum Glück fiel er weich; der Alligatorkopf löste sich von ihm, er
selbst hing aber noch in den Gurten des Throns. Ein paar Leute von der
Mannschaft lagen neben Kerans, sie standen auf, kümmerten sich aber nicht um
ihn. Ein Rad des Wagens drehte sich leise knirschend in der Luft.
    Strangman lachte wie verrückt, er
schlug Cäsar und den Admiral auf den Rücken und steckte durch seine Erregtheit
die Mannschaft so an, daß bald alle durcheinanderquatschten. Sie versammelten
sich um den beschädigten Wagen und besahen dann dem umgekippten Thron.
Strangman stellte majestätisch einen Fuß darauf und wippte die zerborstene
Kopflehne auf und ab. Er blieb so lange in dieser Pose, bis er überzeugt war,
seine Leute sähen in Kerans keine geheimnisvolle Macht mehr, dann steckte er
seine Pistole ein, rannte die Straße entlang und winkte den

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