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Karneval der Toten

Titel: Karneval der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Grimes
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das getan! Ich habe den Anfang von Bildnis einer Dame gelesen, wo sie sich zum Tee auf dem Rasen versammeln, obwohl man so spät am Tage auch schon Drinks hätte reichen können. Ich frage mich, ob Henry James da die Prioritäten richtig gesetzt hat.«
    Jury warf seinen Mantel auf einen Nachbarstuhl, ließ sich neben Vivian am Fenster nieder und sah sie nacheinander an. »Wenn Sie ihn nicht gelesen haben, wie können Sie ihn dann parodieren?«
    Joanna Lewes, ortsansässige Autorin von Liebesromanen, sagte: »Wir haben vor langer Zeit wohl alle irgendetwas von Henry James gelesen, und Marshall hat eine Seite aus Die Gesandten kopiert. Also, da kam dieser Mann in den Jack and Hammer -«
    »Sie meinen Mr. Lambert Strether?«
    »Richtig. Offenbar ein veritabler Idiot – denn ich kann mir nicht vorstellen, dass der echte Lambert Strether in eine Runde hineinplatzt, die auch ohne ihn ihren Spaß hat, Sie etwa? Wir veranstalten also diesen Wettbewerb, bei dem jeder einen Satz schreiben muss – er muss ziemlich lang sein, wenn er Henry James’ Stil ähneln soll.«
    »Vergessen Sie jetzt nicht den wichtigen Teil«, sagte Vivian.
    Jury meinte: »Ich freue mich zu hören, dass es dabei tatsächlich einen wichtigen Teil gibt.«
    »Wollen Sie was einreichen?«, fragte Trueblood. »Teilnahmegebühr ist ein Pfund fünfzig.«
    »Das bezweifle ich doch sehr. Aber zuallererst muss ich den wichtigen Teil hören.«
    »Ich bin dabei«, sagte Melrose, knallte zwei Pfundmünzen auf die Tischmitte und nahm ein Fünfzigpencestück wieder an sich.
    Trueblood gab Jury die Antwort: »Der Satz muss so anfangen ›Kommt ein Mann in ein Pub.‹ Diese Worte müssen in Ihrem Satz vorkommen. Die einzige erlaubte Abwandlung wäre ›ins‹ anstelle von ›in ein‹, also ›Kommt ein Mann ins Pub‹ statt ›Kommt ein Mann in ein Pub.‹ Wollen Sie ein Pfund setzen? Der Gewinner erhält sämtliche Einsätze.«
    Diane schüttelte den Kopf. »Der Gewinner bekommt das meiste, der Zweite bekommt die Fünfzigpencestücke.«
    Jury war drauf und dran, seiner sarkastischen Bemerkung von vorhin noch eins draufzusetzen, als Mrs. Withersby (»unsere Allertollste, unser Supergirl« laut Melrose) ein Zettelchen schwenkend schrie: »Ich hab’s, meins is fertig.«
    Mrs. Withersby (Dicks Zugehfrau) räusperte sich – ein Unterfangen, das in Anbetracht ihres Konsums von zwei Päckchen Zigaretten pro Tag nicht von schlechten Eltern war. Sie erhob die Stimme und deklamierte: »Kommt ein Mann in ein Pub und is schon bepisst, eh er an die Theke kommt.« Sie gluckste vor Vergnügen und fand es herrlich komisch.
    Jury auch. Er betrachtete die Umsitzenden, während diese Mrs. Withersby betrachteten, als zögen sie ihren Beitrag ernsthaft in Betracht.
    Trueblood sagte: »Lassen Sie den Zettel bis zur Abstimmung einfach auf dem Tisch liegen.«
    »O nein, mein Freundchen. Den behalt ich mal ganz schön bei mir. Könnte ja jemand direkt aus dem Topf rausmopsen.«
    »Ich versichere Ihnen, Withersby, altes Haus -«
    Den Withersbys dieser Welt »versicherte« niemand etwas, was mit Geld oder Drinks zu tun hatte. Sie wollte den Zettel da haben, wo sie ihn sehen konnte.
    »Der bleibt bei mir!«
    Diane traf mit ihrer Frage den Nagel genau auf den Kopf. »Wie soll denn jemand was stehlen, was Sie schon laut vorgelesen haben?«
    Withersby bedachte sie bloß mit einer wegwerfenden Handbewegung und machte sich davon.
    »Wer noch?«, fragte Trueblood.
    Vivian hob die Hand wie ein schüchternes Schulmädchen. »Ich habe einen.«
    »Schießen Sie los!«
    »Kommt ein Mann ins Pub, der mit seiner offenen Miene auf den ersten Blick freimütig wirkte, dessen Gesprächspartner ihn aber eine außerordentliche Eigenschaft zurückhalten sah.«
    »Wow! Brillant«, sagte Melrose. »Was soll das aber heißen?«
    »Es heißt, dass der Mann zunächst offen und ehrlich erschien, was er aber nicht war. Er hielt mit etwas hinterm Berg.«
    »Wieso«, wollte Diane wissen, »haben Sie das dann nicht einfach so ausgedrückt?«
    Trueblood stieß einen Seufzer aus. »Diane, das hat man zu Henry James wahrscheinlich auch gesagt. Sogar sein eigener Bruder hat es zu ihm gesagt. Ich bin mir sicher, Henry James war überzeugt, er hätte es so ausgedrückt.«
    »Ach.« Diane nahm wieder einen Schluck.
    Trueblood informierte die Spätankömmlinge, Melrose und Jury, dass dies ebenfalls Bestandteil des Wettbewerbs sei: Man musste erklären können, was man schrieb.
    »Ich verstehe nicht, wieso. Das tat Henry James

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